Schlussverkauf

Monatlich 66 Euro für Kleidung

Kaufen, kaufen, kaufen!
Kaufen, kaufen, kaufen!IMAGO/Xinhua
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Eine Umfrage zeigt, dass sich „fast fashion“ nur langsam abbremst – wenn überhaupt. Ein Viertel ist nicht bereit, für langlebigere Ware etwas mehr auszugeben.

Leichte Änderungen, aber trotz Inflation und mehrerer Krisen wird Kleidung beinahe ungebremst gekauft – und sehr oft auch bestellt. Das zeigt das Ergebnis einer Integral-Umfrage, die im Auftrag von Greenpeace und der Arbeiterkammer Wien in Auftrag gegeben worden ist. Befragt wurden 1506 Personen im Alter zwischen 16 und 75 Jahren, die stellvertretend für 83 Prozent der in Österreich lebenden Menschen stehen. Der Schnitt ist repräsentativ für die österreichische Bevölkerung.

Durchschnittlich hat jeder und jede 23 „kurzärmelige oder ärmellose Kleidungsstücke“, wie die Auswertung verrät, im Kasten hängen. Dazu kommen noch 16 langärmelige Oberteile, 14 Hosen, sieben Jacken und Mäntel, sechs Röcke und Kleider sowie fünf Pyjamas und Nachthemden. Aber: Knapp ein Viertel vertraut der Umfrage an, über keine Nachtrobe zu verfügen. Das statische Mittel bei Sportbekleidung wird mit zehn Stück angegeben, das der Schuhe mit 13 Paaren. Insgesamt belaufe sich demnach der Bestand an Kleidung auf 100 Stück.

Jährlich werden etwa 18 Kleidungsstücke gekauft, monatlich werden dafür 66 Euro ausgegeben. Frauen kaufen etwas mehr. Am meisten kaufen Unter-30-Jährige und Pflichtschulabgänger. Allerdings: Das könnte auch gemogelt sein: Denn gnadenlose Zahlen aus Statistiken lassen die Annahme als realistisch erscheinen, dass pro Kopf und Nase jährlich 50 Kleidungsstücke dazukommen.

Ein Sechstel kauft auch gebrauchte Kleidung

Von alledem verlässt ein Achtel davon diesen Kleiderkasten der Wahl auch nur ein einziges Mal – dann nämlich, wenn diese Kleidung auch schon wieder weggeworfen wird. Glaubt man den Antworten, so landet etwas mehr als die Hälfte im Altkleider-Container und ein Drittel im Restmüll.

Wiewohl es beinahe einhelliger Tenor durch alle Altersgruppen ist, dass die sozialen Standards in der Produktionskette genauso wie die Umweltbelastungen als höchst problematisch zu definieren sind, so räumen 60% freimütig ein, dass sie nicht oder kaum darauf achten. Bei den Umweltstandards ist die Gruppe derer, die die eklatanten Probleme mehr oder weniger negieren, mit 55 Prozent nur etwas geringer. 92 Prozent sagen, dass grundsätzlich zu viel Kleidung gekauft werde. Immerhin mehr als ein Sechstel – vor allem Jüngere – geben an, auch gebrauchte Kleidung gekauft zu haben. 

Drei von zehn Befragten antworten, dass sie teurere, aber langlebigere Kleidung bzw. Schuhe kaufen, weitere 43 Prozent erklären sich bereit, dies zu wollen, räumen aber ein, es nicht zu tun. Das verbleibende Viertel hat für derlei kein offenes Ohr.

Die Textilindustrie kurbelt die Klimakrise kräftig an. Je nach Berechnung gehen auf das Konto dieser Branche bis zu einem Zehntel der gesamten Treibhausgasemissionen, allein die Produktion von Polyester für Textilien ist für 700 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent verantwortlich. Der Wasserverbrauch dieser Industrie wird auf 93.000 Milliarden Liter geschätzt – ganz zu schweigen von der Belastung durch die Verschmutzung des Wassers durch Chemikalien, die bei der Herstellung der Bekleidung entstehen.

Und die sozialen Umstände, unter denen viele Kleidungsstücke entstehen, sind ebenfalls himmelschreiend: Gefährliche Arbeitsplätze, fehlende Jobsicherheit, miese Bezahlung oder Mangel und Verletzung von Arbeitsrechten seien nur beispielhaft genannt.

„Verschwendungsexzesse verbieten"

„Obwohl den Konsumenten die Schattenseiten der Modebranche bewusst sind, sind oft ein günstiger Preis und Bequemlichkeit bestimmend. Der Preis, den Umwelt, Klima und Arbeiterinnen für Kleidung zahlen, ist enorm. Es wird zu viel produziert und weggeworfen, Kleidung wird zu kurz getragen. Es braucht Änderungen im Verhalten – ein Umdenken bei Produzenten, Händlern, aber auch Konsumenten – und gesetzliche Regeln”, meint Nina Tröger, Konsumforscherin der AK Konsumentenpolitik der Arbeiterkammer Wien.

Lisa Panhuber, Konsumentensprecherin von Greenpeace Österreich: „Das Fast Fashion-Ungeheuer wird von Jahr zu Jahr größer und zerstört Umwelt sowie Lebensgrundlagen und Gesundheit von Menschen weltweit. Die Politik muss jetzt die Notbremse ziehen und die Konzerne zur Verantwortung ziehen. Verschwendungsexzesse wie die Vernichtung von neuer Ware müssen verboten und Verstöße gegen Umwelt- und Arbeitsrechte entlang der Lieferkette streng sanktioniert werden.”

Panhuber und Tröger fordern ein gesetzliches Vernichtungsverbot für neuwertige Waren in Österreich. Hersteller und Händler sollen dazu verpflichtet werden, nicht verkaufte Waren und Retouren auf eigene Kosten an befugte Stellen (z.B. Reuse Betriebe) abzugeben. Zudem müssen alle Unternehmen verpflichtend offenlegen, wie viele Waren sie nicht verkaufen und was genau damit passiert.

Zudem müsse ein strenges EU-Lieferkettengesetz geben, ebenso müsse die EU Ökodesign-Verordnung verbindliche Anforderungen an Langlebigkeit, Reparier- und Recyclingfähigkeit umfassen. Außerdem auf dem Forderungskatalog stehen unter anderem

  • ein Exportverbot für Textilabfälle,
  • der Systemwandel der Modebranche,
  • Transparenz bei Gütesiegeln und
  • mehr Förderungen für Reparaturdienstleistungen sowie Leih- und Sharingsysteme in Österreich.

Die Diskrepanz zwischen den Meinungen, die in der Umfrage geäußert worden sind, und dem tatsächlichen Einkaufsverhalten ist für Panhuber und Tröger nur bedingt ein Widerspruch. „Es gibt die Diskrepanz in dieser Ausprägung vor allem auch deshalb, weil es den Menschen schwer gemacht wird, hier durchzublicken: Wie gut werden Sozialstandards eingehalten, wie konsequent wird Umweltstandards Rechnung getragen.“ Es sei Aufgabe der Politik, hier einen Rahmen vorzugeben, der von Handel und Herstellern eingehalten werden muss. Tröger tritt auch dafür ein, dass Werbung mit nichtssagenden, also nicht überprüfbaren Begriffen (etwa: „umweltfreundlich“) unterbunden werde. Insgesamt müsse es, so Panhuber, „von Quantität zu Qualität gehen“.

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