Studie

Präsentismus: 9 von 10 Beschäftigten waren schon krank in der Arbeit

APA/EVA MANHART
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Viele Arbeitnehmer in Österreich stehen unter hohem Druck, trotz Erkrankung in die Arbeit zu gehen. Die Sorge, benachteiligt zu werden, Kollegen im Stich zu lassen oder gar gekündigt zu werden, ist groß.

Die Bereitschaft, erkrankt am Arbeitsplatz zu erscheinen, hat einen Namen: Unter dem Begriff Präsentismus werde von Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin das Verhalten bezeichnet, trotz Krankheit zu arbeiten. Zu ebendiesem Phänomen hat die Arbeiterkammer Wien eine Studie unter 6.506 Arbeitnehmenden durchgeführt und die Ergebnisse in einer Pressekonferenz am Donnerstag präsentiert.

Der Befragung zufolge haben sich 90 Prozent bereits einmal dazu entschlossen, krank in die Arbeit zu fahren. Auch, um lästige Nachfragen zu vermeiden. Denn: Die Hälfte wurde schon einmal im Krankenstand von ihrem Vorgesetzten kontaktiert. Unter anderem, um zu erfahren, wie lange der Krankenstand noch dauern wird oder um arbeitsrelevante Fragen zu beantworten. Etwa jeder Sechste berichtet, dass Vorgesetzte den Grund für den Krankenstand wissen wollten, fünf Prozent wurden sogar dazu aufgefordert, entweder im Home-Office tätig zu sein oder in die Arbeit zu kommen.

Insgesamt werden Frauen häufiger nach der Dauer des Krankenstandes gefragt (39 Prozent) als Männer (33 Prozent). Diese Diskriminierung ist nicht nur geschlechts-, sondern auch branchenspezifisch: Präsentismus ist im Hotel- und Gastgewerbe sowie im Handel besonders ausgeprägt - also in jenen Branchen, in denen der direkte sozialen Austausch und Kundenkontakt im Fokus steht.

Welche Motivation steckt dahinter?

Die Gründe, um sich krank in die Arbeit zu schleppen, liegen hauptsächlich kollegialer Loyalität zugrunde: 61 Prozent weigern sich, ihre Kollegen im Stich zu lassen. 43 Prozent haben Sorge davor, dass die Mitarbeitenden es nicht schaffen, das Arbeitspensum zu bewältigen. An dritter Stelle stehen Termine, die nicht zu verschieben sind. Und auch der vierte Grund – keine Vertretung zu haben – bezieht sich auf die Teamdynamik.

Jeder vierte Arbeitnehmer hat Angst, den Job zu verlieren und ist deshalb schon mal krank in die Arbeit gegangen. Diese Sorge wird am häufigsten im Hotel- und Gastgewerbe, gefolgt von Transport und Verkehr, genannt. Unter der Annahme, „jetzt Husten, Schnupfen oder Halsschmerzen zu haben“, würden im Hotel- und Gastgewerbe zwei Drittel der Beschäftigten mit einer Erkältung in die Arbeit gehen - ohne einen Corona-Test zu machen.

Kündigungsschutz im Krankenstand

„Wir merken, dass der Präsentismus immer mehr zur Regel - statt zur Ausnahme - wird. Alleine 2022 hat die Arbeitsrechtsabteilung 635 Beratungen zu den Themen Krankenstand und Entgeltfortzahlung
durchgeführt. Aus unserer Sicht wäre ein Kündigungsschutz im Krankenstand ein wirksames Instrument, um zu gewährleisten, dass
Arbeitnehmer sich nicht gezwungen sehen, krank arbeiten zu gehen“, sagt Ludwig Dvořák, AK-Bereichsleiter für Arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz.

Etwa jeder Zwölfte musste diese Erfahrung bereits machen: Im Krankenstand fristlos entlassen oder gekündigt zu werden. Am häufigsten trifft dies auf das Hotel- und Gastgewerbe zu. Aus den Bereichen Transport, Verkehr und dem Gewerbe berichten zehn Prozent davon. Zwar wird Arbeitnehmenden oft angeboten, nach dem Ende des Krankenstandes wieder eingestellt zu werden, doch tatsächlich trifft das nur auf ein Drittel der Befragten zu. Bei den meisten sei von einer Wiedereinstellung keine Rede mehr gewesen.

(red/est)

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