Rippenbruch

Verhandlung um vermutete Polizeigewalt gegen einen Lobau-Aktivisten startet

Monatelang besetzten Aktivistinnen und Aktivisten Baustellen in der Donaustadt und protestieren gegen den Bau der Verbindung zwischen der Seestadt und der Südosttangente.
Monatelang besetzten Aktivistinnen und Aktivisten Baustellen in der Donaustadt und protestieren gegen den Bau der Verbindung zwischen der Seestadt und der Südosttangente.APA/GEORG HOCHMUTH
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Nach Räumung eines Protestcamps wurde der "LobauBleibt"-Aktivist zwecks Identitätsfeststellung ins PAZ Rossauer Lände gebracht. Dort soll ihm ein Beamter "ins Kreuz gesprungen" sein.

Am Donnerstag ist am Verwaltungsgericht Wien die Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde eines "LobauBleibt"-Aktivisten verhandelt worden, dem im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände eine Rippe gebrochen worden sein soll. Der Mann war am 19. Februar 2022 nach einer Räumung des Protestcamps in der Lobau zwecks Identitätsfeststellung ins PAZ gebracht worden, wo er sich auf einer Bank und dann am Fußboden "eingeigelt" haben soll, um die Anfertigung eines Fotos zu verhindern.

Ein Polizist soll ihm daraufhin ein Knie in den Rücken gestoßen haben - der Betroffene spricht davon, ihm sei "ins Kreuz gesprungen" worden. Das soll eine Fraktur der elften Rippe und eine Thoraxprellung zur Folge gehabt haben, was seitens der Polizei bestritten wird. Diese vermutet unter Bezugnahme auf einen polizeilichen Amtsarzt, im Spital, in dem später der Rippenbruch festgestellt wurde, sei womöglich keine frische Verletzung dokumentiert worden.

"Das kommt mir reichlich seltsam vor, dass ein Unfallchirurg, sein Vorgesetzter, eine Röntgenologin und ein Gerichtsgutachter einen alten Rippenbruch nicht von einem frischen unterscheiden können", hielt dazu Richter Wolfgang Helm fest. Der Aktivist erklärte daraufhin, er habe sich bei einem fünf Jahre zurückliegenden Fahrradsturz zwei mit dem Brustbein verbundene Rippen gebrochen. Die jüngste, verfahrensgegenständliche Fraktur habe allerdings die elfte Rippe hinten betroffen.

„Höchst respektvoll behandelt worden"

Der 49-jährige Mann schloss dezidiert aus, dass er sich vor seiner Festnahme bei der Räumung des Protestcamps gegen die Stadtstraße verletzt hatte bzw. ihm dort Verletzungen beigebracht wurden. Er sei damals an eine Konstruktion angekettet gewesen, die Polizisten hätten ihn "höchst professionell" von dieser gelöst. Er sei dabei auch "höchst respektvoll behandelt" worden, betonte der Aktivist.

Auf die Frage, weshalb er sich im PAZ nicht fotografieren habe lassen wollen, erwiderte der 49-Jährige zunächst: "Jegliche erkennungsdienstliche Maßnahme wie Fotos und Fingerabdruck kann verweigert werden." Das sei damals Grundsatzhaltung unter den Aktivistinnen und Aktivisten gewesen: "Es war bei uns Usus. Das haben damals alle Aktivisten gemacht." Mittlerweile verhalte er sich anders und sei zumindest bereit, seinen Namen zu nennen, verriet der Mann.

Der ins PAZ verbrachte Aktivist hatte nach dem Kniestoß schmerzbedingt seinen passiven Widerstand aufgegeben und sich fotografieren lassen. Er wurde danach in eine Zelle gebracht, wo er die Nacht verbringen musste. Aufgrund seiner Schmerzen rief er seinen Angaben zufolge mehrmals nach einem Arzt und verlangte später auch Schmerzmittel. Er sei dann in der Zelle auch von einem Mediziner untersucht worden. Dieser habe auch die Stelle, an der die Rippe gebrochen war, ertastet, aber sinngemäß festgestellt, das sei "nicht lebensbedrohlich" und ihm Haftfähigkeit bescheinigt, schilderte nun der 49-Jährige im Verwaltungsgericht.

Gewaltanwendung wurde nicht dokumentiert

Der Aktivist wurde erst am 20. Februar um 13.15 Uhr - und damit fast 24 Stunden nach seiner Festnahme - aus dem PAZ entlassen. Er ging unverzüglich in ein Spital, wo Röntgenbilder angefertigt und die beschwerdegegenständlichen Verletzungen festgestellt wurden.

Der Rechtsvertreter des 49-Jährigen, der Wiener Anwalt Clemens Lahner, stützt sich neben der im Spital aufgenommenen Krankengeschichte auf ein gerichtsmedizinisches Gutachten, das seiner Ansicht nach die Darstellung seines Mandanten in zeitlicher Hinsicht und zum Geschehnisablauf untermauert. Die Staatsanwaltschaft Wien hatte gegen die Polizisten, die im PAZ mit dem 50-Jährigen zu tun hatten und die als mögliche Verursacher der Rippenfraktur infrage kamen, ermittelt. Dieses Strafverfahren wurde eingestellt - laut Lahner war nicht erweislich, welcher der Beamten den Kniestoß ausgeführt hatte.

Lahner bemängelt auch, dass die Gewaltanwendung seitens der Polizei überhaupt nicht dokumentiert wurde. Eine entsprechende Dokumentation sei dem gesamten Akt nicht zu entnehmen.

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