Tisch für vier

Restaurant Kelsen im Parlament: Mehr gebackenes Beuschl, bitte!

Restaurant Kelsen im Parlament
Restaurant Kelsen im ParlamentChristine Pichler
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Das neue Parlamentsrestaurant hat große Ambitionen. Und überzeugt vor allem dann, wenn es nicht allzu übereifrig ist.

Essen und Politik, das war in Österreich ja bislang eher keine so glückliche Kombination. Bei McDonald’s löste Werner Kogler ein kleines Burgergate aus, Pamela Rendi-Wagner wurde einst für den Besuch in einem Nobelrestaurant in St. Tropez gescholten und die FPÖ ­illustrierte ihre Forderung nach einer Schweinsschnitzelpflicht mit einem panierten Fischfilet. Immerhin wissen wir seit dem Sommer, dass Tirols Landeschef Anton Mattle Eis isst wie jeder andere auch*. Aber vielleicht wird’s ja noch. Das neu renovierte Parlament ist jetzt jedenfalls auch kulinarisch aufgewertet worden – mit gleich mehreren Lokalen, und zwar nicht nur für die gewählten Vertreter, sondern auch für einfache Bürger: im Erdgeschoß das Café Agora, im Dachgeschoß die Kantine mit Mittagsmenü (zwölf bis 15 Euro), ein Bistro mit kleinen Speisen und Klassikern von Leberschmalzbrot (6 Euro) bis Schnitzel (26  Euro) und als Herzstück des Ganzen das Fine-Dining-Restaurant Kelsen (vier  Gänge 58 Euro, sieben Gänge 98  Euro, Mittagessen ab 19 Euro).
Architektonisch wirkt der einstige Rohdachboden abgesehen von den hübschen Lustern im Bistro etwas uninspiriert: Alles ziemlich glatt und kühl, Potenzial haben sicher die Terrassen mit Blick auf den ­Stephansdom. Kulinarisch hat man sich einiges vorgenommen. Man will mit ­Klassikern spielen, nachhaltig soll es auch sein, mit Nose to Tail, Root to Leaf, Regionalität und (mehr als) Bio: nur zu! Die Liste der Lieferanten hat es jedenfalls in sich, von der Boa Farm über Krautwerk bis Österreis: An der Qualität der Produkte wird es nicht scheitern.

Restaurant Kelsen im Parlament
Restaurant Kelsen im ParlamentChristine Pichler

Was das Team um Küchenchef Paul Gamauf daraus macht, überzeugt vor allem dann, wenn es bei aller Ambition nicht die Bodenhaftung verliert. Paradebeispiel sind die Beuschlkroketten: knus­prige Panier, zart schmelzendes, perfekt gewürztes Beuschl: einfach nur sehr gut! Ob Brokkolistiele zum Eintunken mit Bindfaden umwickelt sein müssen, daran scheiden sich die Geister, die Goldrübe mit Sanddorn und die sehr süße Neuinterpretation des Rotkrauts schauen leider vor allem hübsch aus. Geschmacklich interessanter sind die Gerichte mit weniger Firlefanz: Die pikante Stosuppe mit Flick’scher Gebirgsgarnele ist wirklich eine schöne Kombination aus bodenständig und fein – und noch mehr das Reisfleisch, veredelt mit rosa gebratenem ­Sonnenschwein von Labonca. Auch wenn der Wunsch vielleicht von einem schlichten kulinarischen Gemüt zeugt: Jedes Fine-Dining-Menü braucht so einen ­Wohlfühlteller – gern auch zwei! Zum Schluss stimmt die Richtung jedenfalls auch: ­Der junge Patissier Benjamin Schröder hat sich da nämlich einen dekonstruierten, zum Dessert umgeformten Karfiol mit Bröseln ausgedacht. Bitte mehr davon!

*Bitte um Entschuldigung, zuvor war hier die Rede von Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner.

Kelsen, Dr.-Karl-Renner-Ring 3, 1017 Wien, Tel.: +43/(0)1/226111111, Restaurant: Mo–Fr: 11:45–23:30 Uhr,  Sa: 10–23:30 Uhr. Mehr Kolumnen auf: DiePresse.com/lokalkritiken

("Die Presse Schaufenster" vom 16.12.2022)

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