EU-Außengrenze

Streit um Schengen-Beitritt: Nehammer und Karner bei bulgarisch-türkischer Grenze

Archivbild von Kanzler Nehammer und Innenminister Karner.
Archivbild von Kanzler Nehammer und Innenminister Karner.(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Am Montag gibt es einen demonstrativen Lokalaugenschein vor dem EU-Migrationsgipfel. Österreich fordert einen Zaun und mehr Geld für Frontex. Beide Balkan-Länder sind überzeugt, noch heuer dem Schengen-Raum beitreten zu können.

Zum Lokalaugenschein an der bulgarisch-türkischen Grenze reisen Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) am Sonntagabend nach Bulgarien. Österreich will Bulgarien beim Grenzschutz unterstützen, unter anderem durch EU-Mittel für Zaunanlagen und mehr Kapazitäten der EU-Grenzschutzbehörde Frontex. Österreich hat wegen der illegalen Migration im Dezember ein Veto gegen den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens eingelegt.

Den Besuch in Bulgarien hatte Nehammer bereits beim Besuch des bulgarischen Präsidenten Rumen Radew zum Neujahrskonzert in Wien angekündigt. Der Kanzler will im Zuge des Aufenthalts an der Grenze und in Sofia am Montag neuerlich mit Radew und anschließend auch mit dem bulgarischen Ministerpräsidenten Galab Donew das Thema besprechen. Der Besuch findet gut zwei Wochen vor einem EU-Sondergipfel in Brüssel zum Thema Migration statt. Innenminister Karner hatte am Dienstag in Warschau den neuen Frontex-Chef, Hans Leijtens, getroffen.

Über Österreich enttäuscht

Sowohl in Bulgarien als auch in Rumänien hatte das österreichische Schengen-Veto für Proteste und Enttäuschung gesorgt. Im Falle Bulgariens hatten auch die Niederlande Bedenken gegen einen Schengen-Beitritt zum Ausdruck gebracht. Beide Balkan-Länder zeigten sich nichtsdestotrotz überzeugt davon, noch in diesem Jahr dem grenzkontrollfreien Schengen-Raum beitreten zu können. Ein späterer Termin gilt wegen der Europawahlen 2024 als schwierig. Wegen der engen Verflochtenheit will die EU auch beide Länder gemeinsam in Schengen aufnehmen.

Rumänien gab am Donnerstag die Rückkehr seines Botschafters in Österreich, Emil Hurezeanu, auf seinen Posten bekannt. Hurezeanu war nach Wiens Veto zu Beratungen nach Bukarest beordert worden.

In der Causa hat mittlerweile auch das an Bulgarien grenzende Griechenland eine Initiative gestartet. Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis besuchte kürzlich Nehammer und Karner in Wien, um für den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengen-Raum zu werben. Auch Mitarakis befürwortet eine stärkere EU-Unterstützung Bulgariens beim Schutz der EU-Außengrenze.

Beide Länder hatten aus Sicht der EU-Kommission und des Europaparlaments alle Bedingungen für einen Schengen-Beitritt erfüllt. Dagegen beklagt Österreich, dass das Schengen-System aufgrund der hohen Zahl nicht-registrierter Migranten nicht mehr funktioniere.

Österreich argumentiert mit anderen Zahlen

Differenzen bestehen allerdings über die von Österreich ins Spiel gebrachten Zahlen. Österreich argumentiert, dass in Österreich 2022 mehr als 100.000 Migranten aufgegriffen worden seien. Laut Innenministerium kamen 40 Prozent aus der Türkei über Bulgarien, vor allem Menschen aus Afghanistan, Syrien, Marokko, Ägypten und Somalia. Der bulgarische Migrationsforscher Tihomir Bezlov bezweifelte dies und forderte, sich die Zahlen der irregulären Migranten genauer anzuschauen. Das österreichische Innenministerium reagierte mit einem Verweis auf die hohen Dunkelziffern.

Auch EU-Budgetkommissar Johannes Hahn (ÖVP) forderte Klarheit über die Zahlen. Hier gebe es Widersprüche zwischen den behördlichen österreichischen Angaben und jenen auf europäischer Ebene, sagte er. Hahn erwartet, dass "in relativ überschaubarer Zukunft beide Länder Mitglieder von Schengen werden können". Ein erster Schritt könnte im Flugbereich erfolgen.

Aus den Reihen der ÖVP wurden wiederholt Vorwürfe dementiert, Karner habe das Schengen-Veto aus innenpolitischen Motiven, etwa wegen der am 29. Jänner stattfindenden niederösterreichischen Landtagswahl, eingelegt. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hatte im Dezember erklärt, die Probleme lägen in Wahrheit bei Ungarn, "weil von dort die meisten nicht registrierten Übertritte nach Österreich stattfinden".

(APA)

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