Geschichtsforschung

Die „moralische Meteorologie“: Wenn der Himmel zürnt

Die Erde bebt, die Welt bricht zusammen: Fresko aus dem Athos-Kloster Dionysiou, kretische Schule, 16. Jhdt.
Die Erde bebt, die Welt bricht zusammen: Fresko aus dem Athos-Kloster Dionysiou, kretische Schule, 16. Jhdt.Wikimedia
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Vergangene Schriftzeugnisse berichten, dass bei frevelhaften Vergehen der Menschen der Himmel zürnte. Zwei Wiener Wissenschaftler legen nun erstaunliche Zusammenhänge zwischen historischen Ereignissen und atmosphärischen Phänomenen offen.

Der byzantinische Kaiser Konstantin VI. wird seines Augenlichts beraubt, seine Mutter, Irene, setzt sich an die Spitze des oströmischen Reiches – und zeitgleich mit der Blendung im August 797 verdunkelt sich die Sonne für 17 Tage.

Für die Chronisten dieser Epoche ist die Himmelserscheinung im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den Kaiser sowie der erstmaligen Machtübernahme einer Frau ziemlich klar. Es handle sich um ein göttliches Missfallen. Im Jahr 800 folgte extreme Sommerkälte in weiten Teilen Europas, dann aber deutete sich das Ende des „dunklen Zeitalters“ an: Am 25. Dezember 800 wurde Karl der Große in Rom zum Kaiser eines neuen Reichs gekrönt.


Die Verbindung von außergewöhnlichen Naturphänomenen mit historischen Daten – z. B. jene aus den Jahren 797 und 800 – wurde stets als literarische Erfindung abgetan. Zwei Wissenschaftler zeigen nun das Gegenteil. Johannes Preiser-Kapeller von der Akademie der Wissenschaften und Ewald Kislinger von der Uni Wien konnten nachweisen, dass an diesen historischen Einschnitten sehr wohl Naturereignisse stattfanden. Mithilfe der Naturwissenschaften können Vulkanausbrüche und Kälteperioden exakt datiert werden, auch aus der Zeit des Frühmittelalters.

Dazu werden Baumringe von bis zu 2000 Jahre alten Bäumen herangezogen, die, so Preiser-Kapeller, Anomalien der Natur bis auf das Jahr genau anzeigen. Ebenfalls liegen Auswertungen von in Grönland vorgenommenen Eiskernbohrungen vor, durch die sich Jahrhunderte zurückliegende witterungsmäßige Unregelmäßigkeiten bis auf drei Jahre genau datieren lassen. Gleichzeitig untersuchten die beiden Wissenschaftler die schriftlichen Zeugnisse des Frühmittelalters. Natürlich wäre es Zufall, sollte sich gerade am Tag der Blendung Konstantins die Sonne verdunkelt haben. Preiser-Kapeller spricht hier von einer „moralischen Meteorologie“. Wenn die meteorologischen Ereignisse schon nicht genau am Tag dieses Ereignisses stattfanden, so wurden doch die knapp davor oder danach stattfindenden Anomalien dem historischen Tag zugeschrieben bzw. auf ihn verlegt.
Preiser-Kapeller und Kislinger können bestimmte atmosphärische und klimatische Phänomene dieser Jahre angeben. Im März 797 gab es über Konstantinopel eine Sonnenfinsternis, im August eine atmosphärische Trübung. 799 bis 800 erfolgten Klima-Anomalien nach gleich drei Eruptionen auf dem Vesuv und den Liparischen Inseln. Die dabei in die Atmosphäre ausgestoßenen Aschenteilchen trübten für eine längere Zeit das Sonnenlicht, Kälteperioden, Missernten und eine Endzeitstimmung bei den betroffenen Menschen waren die Folge.

Sternensturz als Himmelszeichen

Auch als der Bosporus 763/64 zugefroren war, deuteten dies die Menschen als ein böses Omen. Aber hier sorgte ebenfalls ein Vulkanausbruch für eine Kälteperiode.

Eine großflächige Wandmalerei aus dem 16. Jahrhundert im Athos-Kloster Dionysiou hält gleich drei Anomalien fest: Die Erde bebt, die Häuser stürzen ein, die Sterne fallen vom Himmel. Die letzte Erscheinung kann Johannes Preiser-Kapeller auch für das 8. Jahrhundert festmachen. Im März 764 stößt die Erde durch einen Kometenschweif, es kam zu einem besonders intensiven Perseidenschauer. Die Menschen deuteten dies als Sternenfall und als ein Himmelszeichen.

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