Damals schrieb die Neue Freie Presse

Die letzte Spielbank Europas

Wien, 22. Januar 1873. Vor Kurzem war an einem Schaufenster in Nizza eine sehr gut gezeichnete Caricatur ausgestellt. Der Spielpächter Blanc von Monaco spielt Billard und dirigirt einen schwarzen und einen rothen Ball.

Unter dem Bilde steht: „Que ça soit rouge ou noir, qui sorte, c'est toujours blanc, qui gagne.“ Wenn man ihn so leisen Trittes durch Nizza eilen sieht, angethan mit einem langen, dunklen Oberrock, die Augen gedeckt durch eine dunkle Brille, das lange graue Haar durch einen niedrigen, breitkrämpigen Hut, so würde man Monsieur Blanc für den Inhaber eines Erziehungs-Institutes à la Malfatti oder einer anderen pietistischen Anstalt halten, denn nichts an ihm kennzeichnet den millionenreichen Inhaber der letzten europäischen Spielbank.

Freilich ist bis jetzt der erwartete Zuzug aus Deutschland, auf welchen man in Monaco nach dem Schlusse der dortigen Spielhöllen so sicher rechnete, ausgeblieben. Die prächtigen Häuser, welche Zukunftsspeculanten aus der Erde zaubern, stehen noch leer, und die armen Actionäre der Bank werden sich wol auch dieses Jahr mit dem bescheidenen Gewinn von dreißig, höchstens vierzig Percent begnügen müssen; allein laßt nur erst die zerstörte Bahn von Genua nach Nizza wiederhergestellt sein, und ihr werdet sehen, wie sie herbeigeströmt kommen, die Abenteurer und ihre Genossinnen, nachdem in Wiesbaden und Homburg der Reinigungsproceß vor sich gegangen, da außer der Bank von Monaco nur noch das wenig einladende Spielhöllchen zu Saron in der Schweiz besteht. Ob diese Bahn aber, das elendste aller Bauwerke, je wieder zu befahren sein wird, ist freilich eine andere Frage.

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