Alexandria Ocasio-Cortez, demokratische US-Abgeordnete, mit „Tax the Rich“-Slogan-Robe.
Mode und Politik

Wie Staatsfrauen und Staatsmänner Ämter bekleiden

Die Ära der Visual Politics beruht auf der bildbasierten Kommunikation. Bekleidungsformen spielen als gut deutbare Bedeutungsebene hier eine zentrale Rolle. Das wissen manche Politikerinnen und Politiker auszunutzen. Vorabdruck aus einem Buch.

Bereits in der Sprache liegt die Möglichkeit eines Naheverhältnisses geborgen: Ob man nun ein Amt bekleidet oder staatstragend sein möchte, die Verbindung von Macht und zu Repräsentationszwecken angelegter Bekleidung ist eng. Zwar steht, streng genommen, der Staat in dieser Kombination nicht für eine Form der gesellschaftlichen Ordnung, sondern verweist, dem Ursprung des Wortes nach, auf etwas Prächtiges, Prachtvolles, das Stattliche. Gar zu viel prachtvolle Stattlichkeit ist aber ohnehin nicht mehr gefragt, wenn es heute um die Kleiderwahl von Staatsfrauen und -männern geht. Ein Repräsentationsgehabe, das in vergangenen Jahrhunderten noch anempfohlen gewesen sein mochte, würde sich in einer Ära oberflächlicher Bescheidenheitstopoi rasch als hinderliche Kommunikationsstrategie erweisen.

Die Zeiten, als in einem feudalen System nur die wenigsten ihre Herrschenden zu Gesicht bekamen und darum – wie übrigens potenzielle Ehepartnerinnen und -partner – mit Bildnissen vorliebnehmen mussten, die meist recht großen Interpretationsspielraum zuließen, sind in der medial übersättigten Gegenwartsgesellschaft zwar passé. Zugleich sollte man nicht annehmen, heute würden Bilder weniger verfälscht, manipuliert oder weniger kunstvoll inszeniert werden, um mit ihnen Eindruck zu schinden.

Die Angelobungszeremonie von Joe Biden war nachgerade mit Red-Carpet-Flair à la Hollywood aufgeladen. Kamala Harris in Violett deutete auf mögliche „Bipartisanship“ hin.
Die Angelobungszeremonie von Joe Biden war nachgerade mit Red-Carpet-Flair à la Hollywood aufgeladen. Kamala Harris in Violett deutete auf mögliche „Bipartisanship“ hin.(c) Getty Images/Andrew Harnik

Das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines politisch relevanten Bildhandelns mit Mitteln der Mode existiert freilich schon länger: Bereits 1513 gab Niccolò Machiavelli seinem Fürsten, Titelheld in „Il principe“, dem bis heute populären Leitfaden für Machthungrige, eine kleine Weisheit mit auf den Weg. Die Menschen würden eher dazu tendieren, das zu beurteilen, was sie sehen – und nicht so sehr das, was sie mit eigenen Händen (oder dem Verstand?) begreifen müssen. „Jeder kann sehen, was du zu sein scheinst, wenige werden überprüfen, wer du bist.“ Damit ist im Grunde genommen auch bereits die Prämisse der heutigen Visual Politics verbrieft: eines Handlungsprinzips, das sich dank der in den Kulturwissenschaften seit den 1990er-Jahren vollzogenen Hinwendung zu den Bildern, dem sogenannten Visual bzw. Iconic Turn, verfestigt hat. Der gute – oder zumindest glaubwürdige – optische Eindruck zählt, und darum ist eben mit Bildern zunächst leichter Politik zu machen als mit Worten oder später tatsächlich folgenden Taten.

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