Ukraine-Hilfe

Deutscher Koalitionsstreit um Kampfpanzer-Lieferungen spitzt sich zu

Kanzler Scholz besuchte im Oktober die Bundeswehr in Ostenholz. Im Hintergrund ist ein Leopard-2 zu sehen.
Kanzler Scholz besuchte im Oktober die Bundeswehr in Ostenholz. Im Hintergrund ist ein Leopard-2 zu sehen.APA/AFP/RONNY HARTMANN
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Auch andere Staaten wie Polen brauchen eine Genehmigung aus Berlin, um Leopard-2-Kampfpanzern an Kiew zu liefern. Doch diese bleibt Deutschland weiterhin schuldig.

Die Differenzen innerhalb der deutschen Ampel-Regierung um Kampfpanzer-Lieferungen an die Ukraine wachsen sich zu einem handfesten Koalitionsstreit aus. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich lieferten sich am Samstag einen heftigen öffentlichen Schlagabtausch mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert beklagte am Sonntag "maßlose Kritik"

Strack-Zimmermann bezeichnete Mützenich auf Twitter als "das Sinnbild aller zentralen Verfehlungen deutscher Außenpolitik". Sie schrieb: "Seine Ansichten von gestern führen in die Probleme von morgen. Er ist nicht mehr in der Lage, sein Weltbild der Realität anzupassen."

Von „Empörungsritualen" und „Schnappatmung"

Am Freitag hatte Strack-Zimmermann den deutschen Kanzler Olaf Scholz (SPD) im ZDF-"heute journal" angegriffen, was wiederum eine heftige Reaktion Mützenichs auslöste. "Frau Strack-Zimmermann und andere reden uns in eine militärische Auseinandersetzung hinein. Dieselben, die heute Alleingänge mit schweren Kampfpanzern fordern, werden morgen nach Flugzeugen oder Truppen schreien", sagte Mützenich der Deutschen Presse-Agentur. "Eine Politik in Zeiten eines Krieges in Europa macht man nicht im Stil von Empörungsritualen oder mit Schnappatmung, sondern mit Klarheit und Vernunft."

Strack-Zimmermann hatte die Kommunikation insbesondere von Scholz in der Frage von Kampfpanzer-Lieferungen an die Ukraine als "Katastrophe" bezeichnet, denn einerseits unterstütze Deutschland die Ukraine massiv, durch die ausbleibende Entscheidung bei den Kampfpanzern entstehe aber ein anderer Eindruck. Scholz bleibe Erklärungen dafür schuldig.

"Die Geschichte schaut auf uns, und Deutschland hat leider gerade versagt", sagte die FDP-Politikerin mit Blick auf die weiterhin ausstehende Entscheidung der deutschen Regierung über die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an Kiew. Am Freitag hatten sich die Verbündeten zu einer Ukraine-Konferenz in Ramstein getroffen, bei der weitere Milliardenhilfen für das von Russland überfallene Land vereinbart wurden. Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kündigte am Rande des Treffens eine Überprüfung der Verfügbarkeit und Stückzahl der Leopard-Panzer an.

Länder brauchen Genehmigung aus Berlin

"Zumindest wäre ein Signal richtig gewesen, den Partnern schon mal grünes Licht zu geben", sagte Strack-Zimmermann. Damit meinte sie den Wunsch von Ländern wie Polen, eigene Leopard-2 aus deutscher Produktion an die Ukraine zu liefern. Dazu benötigen sie eine Genehmigung aus Berlin. Sie sei sich allerdings sicher, dass die Leopard-2-Panzer am Ende an die Ukraine geliefert würden.

Auch die grüne Bundestags-Vizepräsidenten Katrin Göring-Eckardt zeigte sich enttäuscht. "Ich hätte mir gewünscht, dass bereits in dieser Woche die deutsche Regierung den Weg für die Lieferung von Leopard-Panzern freigemacht hätte", sagte sie der Funke Mediengruppe (Sonntag). "Diese werden in der Ukraine dringend gebraucht. Die Ukraine verteidigt nicht nur ihr eigenes Land, sondern auch unsere Freiheit."

Ihr Parteikollege, der Vorsitzende des Europaausschusses im deutschen Bundestag, Anton Hofreiter, forderte, dass "jetzt sofort" mit der Ausbildung von ukrainischen Soldaten am Leopard begonnen werden ,müsse, damit es nicht zu weiteren Verzögerungen komme.

Mützenich betonte, Sicherheitspolitik beschränke sich nicht auf Waffenlieferungen. "Eine enge Abstimmung mit der militärischen Weltmacht USA und der Versuch einer Einbeziehung der aufsteigenden Ordnungsmacht China ist für ein belastbares Ende des Krieges in der Ukraine elementar." Beiden Ansprüchen werde Scholz seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine gerecht. Er warnte auch vor einem neuen Kalten Krieg. "Zahllose alte und neue Kriege, auch in Europa, mit allen furchtbaren Konsequenzen wären die Folgen."

Der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert beklagte dagegen am "maßlose Kritik und persönliche Anfeindungen", die den politischen Diskurs über die deutschen Ukraine-Hilfen immer weiter von den Tatsachen abgleiten zu lassen drohen, so Künert gegenüber der "Rheinischen Post" (Sonntag). "Unsere Unterstützung wird dann am größten sein können, wenn wir die Balance zwischen beiden Perspektiven wahren und persönliche Animositäten hintanstellen", erklärt er mit Blick auf die Kritik an Scholz auch aus der Ampel-Koalition.

(APA/dpa/Reuters)

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