Brasilien kämpft gegen die US-Geldschwemme

(c) AP (ERALDO PERES)
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Immer mehr Staaten wehren sich gegen den Zufluss spekulativen Kapitals, den ihnen die lockere US-Geldpolitik beschert. Brasilien kündigt Maßnahmen an. Auch innerhalb Amerikas wächst Kritik an der Zentralbank.

Wien. Er hat den martialischen Sager vom „Währungskrieg“ im Vorjahr in die Welt gesetzt, und er denkt nicht daran, für heuer den Frieden auszurufen: Brasiliens Finanzminister, Guido Mantega, kündigte in der „Financial Times“ neue Maßnahmen gegen die Flut an spekulativem Kapital aus den USA an. Zudem will Brasilien die „Währungsmanipulationen“ Amerikas zum großen Thema bei den heurigen G20-Treffen machen.

Damit profiliert sich die selbstbewusste junge Wirtschaftsmacht als Sprachrohr vieler Staaten, die immer stärker unter der extrem lockeren US-Geldpolitik leiden. Der Bogen spannt sich von Kanada bis Australien, von Südkorea bis Mexiko. Selbst das betont marktliberale Chile plant neuerdings Interventionen am Währungsmarkt und Kapitalkontrollen.

Der Fluch des heißen Geldes

Seit Monaten fließen gewaltige Mengen an spekulativem Kapital aus Amerika ab. Denn überall anders sind auf die Schnelle höhere Margen zu erzielen als am Heimmarkt mit seiner Nullzinspolitik und den Anleihekäufen der Fed, die damit auch die langfristigen Renditen unter drei Prozent hält.

Die Empfänger des unerwünschten Geldsegens fürchten Spekulationsblasen. Das launische „heiße Geld“ könnte auch plötzlich wieder abfließen – und so zu Turbulenzen wie bei der Asienkrise 1997/98 führen. Bis dahin bleibt etwa Brasiliens Nationalbank nur, mit ihren Reals Dollar aufzukaufen und so die Inflation anzuheizen. Oder sie lässt den Real immer stärker aufwerten, bis die eigenen Produkte im Export-Wettbewerb nicht mehr bestehen können. Genau das, fürchtet Mantega, führe Amerika im Schilde: „Auch wenn sich die USA erholen, werden sie mit der quantitativen Lockerung weitermachen, weil im Grunde eine Handelsstrategie dahintersteht.“ Deshalb drängt Brasilien die Welthandelsorganisation, die Praktiken der USA und Chinas (das seinen Yuan mit direkten Interventionen niedrig hält), als Exportsubvention zu bewerten – und zu bestrafen.

Aber auch innerhalb der USA verstärkt sich der Widerstand gegen die Strategie der Fed. Das wurde auf der Jahrestagung der US-Ökonomen in Denver deutlich.

Amerika in der Liquiditätsfalle

Dort haben auch die Kritiker an der Heimatfront ein Sprachrohr gefunden: Ronald McKinnon. Der Stanford-Ökonom warnte am eindringlichsten vor einer „Ruiniere deinen Nachbarn“-Politik, wie sie schon Roosevelt in den 30er- und Nixon in den 70er-Jahren praktiziert hätten – zum Schaden der Weltwirtschaft. Denn wenn sich alle gegen Aufwertungen wehren, bis den Letzten die Hunde beißen, schüre das allerorten die Inflation.

Stärker als moralische Appelle an die Hüter der globalen Leitwährung aber dürfte die Erkenntnis wirken, dass auch den USA selbst Schaden droht. Fest steht, dass die Niedrigstzinspolitik ihr Ziel bislang nicht erreicht hat: Investitionen und Konsum neu anzufachen und das Heer an Arbeitslosen zu verkleinern. Zwar hat die Fed die Basis-Geldmenge seit 2008 mehr als verdoppelt. Aber bei den Konsumenten und Unternehmen ist weniger als fünf Prozent davon angekommen. Freilich könnten die Geschäftsbanken an sie Kredite mit rentablen Aufschlägen vergeben.

Aber sie machen das in Zeiten der Unsicherheit nur, wenn sie sich bei Engpässen leicht Liquidität am Zwischenbankenmarkt holen können. Dort aber gelten die Niedrigstzinsen, und die großen Institute haben keinen Anreiz, ihr Geld zu lächerlichen Margen an kleinere Konkurrenten zu verleihen. Durch diese Liquiditätsfalle kommen Firmen und Verbraucher zu weniger statt mehr Kredit. Die Großbanken aber sitzen auf Massen an billigem Zentralbankgeld – und investieren es im Ausland.

Von dort kommt es, fürchtet McKinnon, später in unverhoffter Form zurück: als importierte Inflation bei Rohstoffen und Lebensmitteln. Gut möglich, dass gerade dann auch die US-Wirtschaft kräftig anspringt, die in großen Mengen gedruckten Dollars im Geschäftsverkehr landen und von der Fed, allen heutigen Beteuerungen zum Trotz, nicht mehr „zurückgeholt“ werden können. Dann fiele das Problem auf seinen Verursacher zurück – das Szenario einer globalen Inflation wäre komplett.

Auf einen Blick

Die US-Geldpolitik gerät immer mehr in die Kritik. Länder mit starken Währungen fürchten den Zufluss spekulativen Kapitals, was Blasenbildung und Inflation fördert. Aber auch unter US-Ökonomen werden Nullzinspolitik und Anleihekäufe der Fed unbeliebter. Durch die „Liquiditätsfalle“ gibt es weniger statt mehr Kredite. Investiert wird im Ausland, die Arbeitslosigkeit bleibt hoch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2011)

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