Quergeschrieben

Oscar-Nominierung, überschattet von Kindesmissbrauch

Aaron Friesz, Manuel Rubey, Alma Hasun, Marie Kreutzer, Vicky Krieps und Florian Teichtmeister bei der Opening Night mit
Aaron Friesz, Manuel Rubey, Alma Hasun, Marie Kreutzer, Vicky Krieps und Florian Teichtmeister bei der Opening Night mitIMAGO/Future Image
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Während man am Burgtheater bei mutmaßlichen Finanztricksereien die Fristlose kassiert, wird bei Verdacht auf Pädophilie offenbar Vertrauensvorschuss gewährt.

Man will sich nicht vorstellen, welchen perversen Kick es Florian Teichtmeister gegeben haben mag, als er 2016 bei einem Festakt im Parlament Texte missbrauchter Kinder las. Dass seine abartige, über 13 Jahre im Darknet gestillte Sehsucht kriminell ist, dürfte ihm durchaus bewusst gewesen sein. „Mir hat die Illegalität einen Kick gegeben, an meine Grenzen geführt“, steht in den Ermittlungsakten; eine – vermutlich strafmildernde – Therapie begann er dennoch erst nach der Anzeige durch seine ehemalige Lebensgefährtin. Gefühlt im Stundentakt tauchen Fakten und Gerüchte zu diesem abgrundtiefen Pädophiliefall auf, mit rund fünfzig Artikeln bediente allein der „Standard“ in nicht ganz zwei Wochen die kollektive Empörungswut – und vermanschte als Erstes den Teichtmeister-Skandal mit weitgehend anonymen #MeToo-Anschuldigungen gegen den Schauspieler XY wegen angeblicher Über- und Untergrifflichkeiten.

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Bei Teichtmeister wurden fast 60.000 Dateien mit Darstellungen sexuell misshandelter Kinder sichergestellt. Bei XY lautete der Tenor der #MeToo-Beschwerden, er habe Frauen derb angemacht und sexuell bedrängt, sich aber dann doch jedesmal getrollt, wenn er in die Schranken gewiesen worden sei. Aufklärungswürdig, keine Frage. Aber wer den Missbrauch wehrloser Kinder gleich einstuft mit herabwürdigenden Belästigungen erwachsener Frauen, sollte sein Wertesystem schleunigst neu kalibrieren. Anders als Teichtmeister wurde XY nie angezeigt, doch in einem Rechtsstaat entscheiden nicht #MeToo-Anklagen oder Gerüchte aus zweiter Hand über Schuld und Unrecht; der einzige Ort, um Missbrauch aufzuklären und allenfalls zu bestrafen, ist ein ordentliches Gericht.

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