Die Facebook-Blase wird aufgepumpt

(c) AP (Jeff Chiu)
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In den USA bahnt sich die nächste Anleger-Abzocke an: Im Vorfeld eines Börsengangs wird der "Wert" des Unternehmens Facebook stark hochgetrieben. Die Bewertung entspricht einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 125.

Wie viel ist das virtuelle soziale Netzwerk „Facebook“ des vom „Time Magazin“ soeben zum Mann des Jahres gekürten Unternehmerjungstars Marc Zuckerberg wert? Interessante Frage. Zumal das Unternehmen ja spätestens 2012, möglicherweise aber noch heuer an die Börse will.

Die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs hat die Antwort: 50 Mrd. Dollar. Die Bank hat nämlich (gemeinsam mit der russischen DST Gruppe) knapp ein Prozent der Facebook-Anteile um knapp 500 Mio. Dollar erworben und will sich weitere drei Prozent um 1,5 Mrd. Dollar für einen Spezialfonds sichern, dessen Anteile an betuchte Klienten (ab zwei Mio. Dollar ist man dabei) verkauft werden sollen.

Das „Griss“ unter reichen Amerikanern und Asiaten um diese Anteile ist trotz enormer Ausgabeaufschläge und Gewinnprovisionen groß, während Aktienexperten eher zu Stirnrunzeln neigen: Facebook macht gerade einmal zwei Mrd. Dollar Umsatz und 400 Mio. Dollar Gewinn (wobei diese Zahlen nicht geprüft sind, weil das derzeit nicht börsenotierte Unternehmen sie nicht veröffentlichen muss). Eine Bewertung mit 50 Mrd. Dollar entspräche also einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 125. Anders gesagt: In der aktuellen Facebook-Bewertung steckt der Gewinn der nächsten 125 Jahre schon drin. Das sieht nicht nach seriösem Geschäft aus.

Hoffen auf extreme Gewinne

Wer zu solchen Kursen kauft, hofft auf eine extreme Gewinnsteigerung: Erst wenn sich der Facebook-Gewinn annähernd verzehnfacht, entspräche die Bewertung der anderer börsenotierter „US-Techs“ wie etwa Apple, Google oder Microsoft, deren Kurs-Gewinn-Verhältnisse zur Zeit zwischen (gesunden) zehn und 20 liegen.

Oder er hat anderes im Sinn: Für Goldman Sachs und seine Klienten könnte sich der Einstieg zu einer derart hohen Bewertung ja durchaus auszahlen. Dann nämlich, wenn es gelingt, den Kurs noch ordentlich „hochzuhypen“.

Das Spiel kennt man aus den wilden Neunzigern des vorigen Jahrhunderts, als die Internet-Spekulationsblase aufgeblasen wurde: Mit völlig unrealistischen Zukunftshoffnungen und abstrusen Theorien („die wirtschaftlichen Schwerkraftgesetze gelten nicht mehr, entscheidend ist nicht der Gewinn, sondern die Marktbeherrschung“) wurde schon im Vorfeld von Börsengängen Hysterie ausgelöst. Die „Cash burning rate“ wurde zur wichtigen Kennzahl. Über Kurs-Gewinn-Verhältnisse von 300 und mehr wunderte sich an den Tech-Börsen niemand mehr.

Kühlen Kopf bewahren

Als die Blase platzte, waren die Profis mit fetten Gewinnen schon „draußen“. Und die Kleinen, die zu spät in das Schneeballsystem eingestiegen waren, lecken heute noch ihre tiefen Wunden, die ihnen Kursverluste um 80 Prozent und mehr beim Platzen der Blase geschlagen hatten.

Leicht möglich, dass das Spiel jetzt wiederholt werden könnte. Der deutsche Vermögensverwalter und Finanzexperte Max Otte sagte kürzlich in einem Interview, Goldman Sachs gehöre zu den „begnadetsten Schneeballwerfern der Welt“ und sei dann immer unter den ersten, die unrealistische Bewertungen „auffliegen lassen“, nachdem sie vorher ihren Schnitt gemacht haben.

Tatsächlich hat die US-Bank nicht das beste Image, seit sie beispielsweise ihren Kunden Immobilienpapiere verkaufte – und dann selbst (erfolgreich) auf Kursrückgänge dieser Papiere spekulierte.

Leicht möglich, dass bei Facebook – das sich wegen seiner medialen Präsenz dafür besonders gut eignet – gerade eine neue Blase aufgepumpt wird und in deren Windschatten noch ein paar weitere Einzelblasen entstehen. Denn an unregulierten außerbörslichen Handelsplattformen (etwa sharespost.com) werden derzeit schon einige nicht börsenotierte Techs zu recht abenteuerlichen Bewertungen gehandelt. Facebook war an diesen Märkten vor dem Goldman-Einstieg übrigens auf 42 Mrd. Dollar taxiert worden.

Bis zum Facebook-Börsengang wird das PR-Stakkato gewaltige Ausmaße erreichen. Nicht privilegierte Privatanleger sollten da kühlen Kopf bewahren und einige Vorsichtsgrundsätze (siehe Tipps am Kopf dieser Seite) beachten. Denn bis sie zum Zug kommen, wird das ganz große Geschäft mit dem Börsengang des Jahres wohl schon gelaufen sein.

Was Sie beachten sollten . . . Aktienkauf beim Börsengang

Die aufkommende Hysterie um den bevorstehenden Börsengang des sozialen Netzwerks Facebook könnte durchaus einen kleinen Emissionsboom bei Technologieaktien auslösen. Kleinanleger müssen aber höllisch aufpassen, dass sie dabei nicht über den Tisch gezogen werden.

Tipp 1

Achtung vor dem Hype. Werden Aktien im Vorfeld eines Börsengangs mit übermäßigem PR-Aufwand gepusht, empfiehlt sich ein scharfer Blick auf das Unternehmen. Und zwar nach sehr konservativen Kriterien, wobei auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) eine Rolle spielen sollte. Dieses sagt einiges darüber aus, ob ein Papier teuer oder billig zu haben ist. Ein Einstieg zu überhöhten Kursen ist eine der wesentlichen Verlustquellen für Kleinanleger.

Tipp 2

Abwarten. Wer bei der Zuteilung beim IPO nicht zum Zug kommt, wartet mit dem Einstieg ein paar Tage ab und beobachtet erst einmal den Markt. Bei stark überzeichneten Emissionen steigt der Kurs am ersten Tag meist sehr stark – um dann oft ebenso stark zu fallen, wenn die bei der Kurszuteilung zum Zug gekommenen Profis ihre Kurzfrist-Gewinne schnell einmal „mitnehmen“. Am ersten Tag zu kaufen kann also zum teuren Irrtum werden.

Tipp 3

Nach unten absichern. Man kann an einem „Hype“ auch als Kleinanleger selbst dann durchaus ein wenig mitnaschen, wenn die Aktie schon sehr teuer auf den Markt kommt. Allerdings ist eine Grundregel strikt zu beachten: Der Kurs muss nach unten – am besten durch einen mitgezogenen automatischen Trailing Stopp – abgesichert sein. So hält sich der Verlust auch dann in Grenzen, wenn man das Platzen einer Kursblase einmal „verschlafen“ sollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2011)

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