Prozess

Freisprüche für Chorherr und Co.

"Froh und erleichtert" zeigt sich Christoph Chorherr nach Schluss der Verhandlung.
"Froh und erleichtert" zeigt sich Christoph Chorherr nach Schluss der Verhandlung.APA/Roland Schlager
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Korruptionsprozess: Ex-Grünen-Politiker Christoph Chorherr und neun Vertreter der Immobilienbranche holten sich Freisprüche ab.

Es ging dann doch ziemlich glatt. Christoph Chorherr, bis 2019 Stadtplanungs-Sprecher und Gemeinderat der Wiener Grünen, wurde vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs und der Bestechlichkeit freigesprochen.

Auch die neun Mitangeklagten, prominente Vertreter der Immobilienbranche, von Michael Tojner bis Erwin Soravia, von Rene Benko bis Günter Kerbler, durften am Montag das Straflandesgericht Wien mit weißer Weste verlassen. Ihnen war Bestimmung zum Amtsmissbrauch und (spiegelbildlich) Bestechung vorgeworfen worden.
Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die sich für Schuldsprüche stark gemacht hatte, meldete unverzüglich Nichtigkeitsbeschwerde an. Thema des Großprozesses, der voriges Jahr begonnen und elf Verhandlungstage in Anspruch genommen hatte: Chorherr war Obmann des wohltätigen Vereins „s2arch“. Dieser stellte Schulprojekte in Südafrika auf die Beine.

Laut Anklage sollen diverse Bauherren gezielt an den Hilfsverein gespendet haben – im Gegenzug soll ihnen Chorherr Vorteile im Rahmen von Widmungsverfahren verschafft haben. Projekte von Einzahlern sollen demnach „begünstigt“ behandelt worden sein. Sämtliche Angeklagte hatten einen Konnex zwischen Spenden und Entscheidungen in Widmungsverfahren stets strikt zurückgewiesen.

„Kein Missbrauch in irgendeiner Form“

Der Vorsitzende des Schöffensenats, Richter Michael Tolstiuk, erklärte in der Urteilsbegründung, dass bei Chorherr kein Befugnis-Missbrauch „in irgendeiner Form“ festgestellt werden konnte. Der Politiker sei in seiner Amtsführung auch nicht befangen gewesen. Spendengelder an den Verein seien geflossen, aber nur, um den Vereinszweck erfüllen zu können. Zudem weist der Richter auch den Antrag auf Verhängung von Geldbußen über diverse Immobiliengesellschaften ab. Chorherrs erster Kommentar nach dem Prozess: „Wir freuen uns sehr und gehen jetzt feiern. Hawidere.“

Davor hatten die WKStA-Ankläger Roman Reich und Reinhard Santeler ihren Kurs beibehalten: Die Angeklagten seien „tat- und schuldangemessenen Strafen“ zuzuführen. Oberstaatsanwalt Santeler zog alle Register. Er tadelte sich selbst für Fehler in der Anklage (dort wurde Chorherr als früherer Planungsstadtrat bezeichnet, dieses Amt hatte aber Maria Vassilakou inne): „Chorherr war dafür die graue Eminenz dahinter.“ Aber: Bestimmt handle es sich bei den Angeklagten um „gute Menschen“ (Zitat: „Da will ich per se nicht widersprechen.“).

„Denken Sie bitte österreichisch!“

Doch dann drehte sich im Plädoyer der Wind: Was da passiert sei, „gehört in jedes Lehrbuch über Korruption“. Um diesen „Sumpf“ trockenzulegen, müsse man das Wesen der Menschen im allgemeinen berücksichtigen. Und jenes des typischen Österreichers im Besonderen. Appell an die Schöffen: „Denken Sie bitte österreichisch!“

Der WKStA-Vertreter machte sogar einen Ausflug ins Tierreich: Das Prinzip „Ich gebe Dir, damit Du gibst“ stecke nicht nur „tief in uns Menschen drinnen – sogar Wölfe haben dieses Gerechtigkeitsempfinden und merken sich, wer Ihnen Gutes getan hat.“

Chorherr sei vorzuwerfen, dass er von Bauherren Spenden für seinen Hilfsverein lukriert habe – und dennoch an Bauprojekten mitgewirkt habe, bei denen eben diese Spender bestimmte Widmungen haben wollten. Hätte sich Chorherr bei diesen Projekten herausgehalten, „dann hätte sich das auf das Spendenverhalten ausgewirkt“. Weiter: „Ich habe meine Zweifel, dass die Angeklagten dann weiter gespendet hätten.“ Die Einstellung aller Beteiligten sei gewesen: „A bisserl was geht schon. Und das ist so urösterreichisch.“

Am Schluss wird der frühere Grün-Politiker geradezu sprachlich umarmt: „Chorherr ist ein politisches Urgestein. Sie haben seine Rhetorik erlebt. Er ist fesselnd. Und er ist mitreißend.“ Man könne ihm also zutrauen, die für die Flächenwidmungen zuständigen Beamten beeinflusst zu haben. Letztlich gingen all diese Argumente – zumindest erstinstanzlich – ins Leere.

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