Prozess

Chorherr über WKStA: "Es sollte für Anklagen Beweise brauchen"

Christoph Chorherr nach Ende des Prozesses
Christoph Chorherr nach Ende des ProzessesAPA/ROLAND SCHLAGER
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Der Ex-Politiker hofft auf „Systemnachjustierungen“ und Refundierung der Anwaltskosten bei rechtskräftigen Freisprüchen. Immerhin habe nicht jeder „eine so großzügige Mutter“ wie er.

Nach fünf Jahren Ermittlungen und 70 Stunden Gerichtsverhandlung wurde der frühere Wiener Planungssprecher, Christoph Chorherr (Grüne), vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs und der Bestechlichkeit freigesprochen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) legte daraufhin Nichtigkeitsbeschwerde ein, weswegen das Urteil noch nicht rechtskräftig ist - und muss seither einiges an Kritik einstecken. So nannte Chorherr die Behörde in Interviews zwar eine "enorm wichtige Einrichtung", erwartet angesichts von Fehlern in seiner Anklage aber "Systemnachjustierungen".

Chorherr war bis 2019 Planungssprecher der grünen Rathaus-Fraktion in Wien. Dem früheren Mandatar war vorgeworfen worden, von mitangeklagten Immobilienunternehmen - darunter Investor Rene Benko, der Industrielle Michael Tojner und die Immobilienentwickler Erwin Soravia und Günter Kerbler - Zahlungen für einen von ihm initiierten gemeinnützigen Verein für Kinder- bzw. Schulprojekte in Afrika gefordert bzw. angenommen zu haben. Die Spender sollen sich im Gegenzug Vorteile bei Widmungsverfahren versprochen haben. Im Prozess konnte allerdings kein "Missbrauch in irgendeiner Form" festgestellt werden.

In Interviews mit mehreren Medien zeigte sich Chorherr erleichtert über den Ausgang des Verfahrens. Der Kritik der ÖVP, die der WKStA politisch motiviertes Vorgehen vorgeworfen hatte, wollte er sich nicht anschließen. "Aber ich glaube, dass die heftige Kritik an ihr zu Systemnachjustierungen führen wird", verwies er im "Standard" auf Fehler in der Anklage, in der er etwa fälschlicherweise als Planungsstadtrat statt Planungssprecher bezeichnet worden war. Er frage sich schon, "wo da die Aufsicht war". Gleichzeitig wisse man auch nicht, was passiert wäre, wäre das Verfahren unter einer grünen Ministerin eingestellt worden (diese ist neben der Oberstaatsanwaltschaft für die Genehmigung der Anklage zuständig, Anm.). "Jedenfalls sollten wir zur Praxis zurückkommen, dass es für Anklagen Beweise braucht."

„Wir wissen eh, wie Österreich funktioniert, reicht nicht“ 

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) ging am Rande des Ministerrats auf die Kritik Chorherrs nicht direkt ein. Allerdings betonte sie ein weiteres Mal, dass die Staatsanwaltschaft gesetzlich dazu verpflichtet sei, bei entsprechender Verdachtslage zu ermitteln und eine Anklage einzureichen. Das Gericht habe eine ganz andere Hürde, so Zadic.

Georg Krakow, Vorstandsmitglied von Transparency International, und selbst ehemaliger Staatsanwalt und Strafverteidiger, verteidigte in der "Kleinen Zeitung" zwar die WKStA: Würde eine Staatsanwaltschaft ausschließlich für Verurteilungen sorgen, bräuchte man keine Gerichte mehr. Außerdem stoße die WKStA im Speziellen im Kampf gegen Korruption auf Probleme, weil es hier anstelle objektiver Beweismittel "vielleicht nur ein Telefonat" gebe. Allerdings müsse die WKStA ihre Vermutungen durch Ermittlungen untermauern. "Das Argument, wir wissen eh, wie Österreich funktioniert, reicht nicht aus." Er plädiert dafür, dass die WKStA gewisse Sachverhalte zunächst intern auf den Prüfstand stellt, ehe man damit an die Öffentlichkeit geht.

Kritik an tendenziöser Berichterstattung

Chorherr räumte in den Zeitungsberichten neuerlich ein, dass er den Posten als Vereinsobmann zurücklegen hätte sollen, als die Grünen in die Stadtregierung gekommen sind. Das hätte er der Wiener Stadtplanung und allen Mitangeklagten ersparen können. "Vielleicht sollten wir aber auch lernen, genauer zu differenzieren, was wirklich Korruption ist - so, wie es das Gericht getan hat. Wir sollten die Grenze schärfer ziehen, da wird zu wenig differenziert." Es könne auch nicht sein, dass Spenden schon als etwas potenziell Kriminelles gelten. Kritik übte Chorherr auch daran, dass in Österreich selbst nach einem rechtskräftigen Freispruch nur ein kleiner Teil der Anwaltskosten - in seinem Fall in sechsstelliger Höhe - refundiert wird. "Und das finde ich schon bedenklich, denn nicht jeder ist so privilegiert wie ich, eine so großzügige Mutter zu haben, die in der Lage ist, so viel Geld zu bezahlen", sagte er der "Wiener Zeitung".

Die Medienberichterstattung in seinem Fall hat Chorherr als extrem tendenziös wahrgenommen: "Mit wenigen löblichen Ausnahmen war die Berichterstattung in hunderten Artikeln absolut vorverurteilend und rufschädigend." Über fünf Jahre habe es das Narrativ gegeben, er habe sich von reichen Immobilienunternehmern spenden lassen und diesen dann eine Rutsche zur Widmung gelegt. Er sei froh, dass das Gericht dieses Narrativ widerlegt habe. "Und ich bin froh, dass ich mit einem sehr robusten Charakter ausgestattet bin, der das Ganze ausgehalten hat."

Sein Ruf sei signifikant beschädigt worden. "Ich bin nicht nur ein Mal auf der Straße als Verbrecher beschimpft worden, nach dem Motto: 'Wann gehst endlich in Häf'n?'", so Chorherr zu den "Salzburger Nachrichten". Eine freie Medienlandschaft sei eine enorme Errungenschaft, das Vorgehen der Medien - und nicht nur der Boulevardmedien - sei aber verletzend.

(APA)

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