Prozess

Heimbewohner im Bezirk Tulln misshandelt: Vier Pfleger vor Gericht

APA/HELMUT FOHRINGER
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Den Angeklagten wird vorgeworfen, Bewohnerinnen und Bewohner körperlich misshandelt, gequält, missbraucht, beschimpft und bespuckt zu haben. Sie bekennen sich nicht schuldig.

Im Pflegeheim Sitzenberg-Reidling (Bezirk Tulln) sollen Bewohner gequält worden sein. Das wurde im März 2021 bekannt. Bei einem mehrtägigen Prozess müssen sich nun vier Pflegerinnen und Pfleger in St. Pölten vor Gericht verantworten. Den Angeklagten - drei Frauen und einem Mann - wird vorgeworfen, Bewohnerinnen und Bewohner körperlich misshandelt, gequält, missbraucht, beschimpft und bespuckt zu haben. Weiters sollen zusätzliche Medikamente verabreicht worden sein, um Patientinnen und Patienten ruhigzustellen. Das Quartett bekannte sich zu Beginn der Schöffenverhandlung nicht schuldig.

Die Anklagepunkte betreffen Quälen und Vernachlässigen wehrloser Personen, fortgesetzte Gewaltausübung und sexuellen Missbrauch von wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Personen. Die Anschuldigungen drehen sich um "massive Misshandlungen an Opfern, die eigentlich in Obhut der Angeklagten standen, um die sie sich eigentlich kümmern mussten", sagte die Staatsanwältin im Eröffnungsvortrag. Als schwerwiegendsten Vorwurf nannte sie die Verabreichung von Schlafmitteln und starken Psychopharmaka, um Menschen ruhigzustellen und ruhige Dienste zu haben.

Patienten „niederspritzen"

Die Beschuldigten - drei Frauen im Alter von 33 bis 45 Jahren und ein 36-jähriger Mann - sollen im Tatzeitraum März 2020 bis März 2021 in einer WhatsApp-Gruppe über ihre berufliche Tätigkeit geschrieben und auch Fotos versendet haben. Laut Anklage ging es den Pflegehelfern darum, unliebsame Bewohner mit zusätzlichen Medikamenten "ins Koma zu versetzen". So hieß es etwa, dass Betroffene "gleich niedergespritzt werden". Außerdem ging es im Detail um Medikamentengabe und versteckte Vorräte. Aus den Chats ergebe sich das "Bild eines Berufsverständnisses, das einfach nur abscheulich ist", sagte die Staatsanwältin.

Die 33-jährige Zweitangeklagte sagte in ihrer Befragung, sie habe via WhatsApp "lauter Blödsinn" zum Frustabbau geschrieben: "Wir waren sehr unterbesetzt, es hat sehr viele Krankenstände gegeben." Mehrmals verwies sie auf Erinnerungslücken. "Der Chat geht über den Frustabbau hinaus", entgegnete die vorsitzende Richterin, die der Beschuldigten zahlreiche Nachrichten vorhielt. So soll die 33-Jährige etwa mehreren Personen zusätzliche Medikamente verabreicht und einer Patientin auf die gebrochene Hand geschlagen haben. Einmal soll sie dokumentiert haben, dass sie eine Bewohnerin nach einem nächtlichen Sturz gefunden habe. In die Gruppe schrieb sie wenige Stunden später, dass die Frau "einen kleinen Schubser gekriegt" habe. Vor Gericht bestritt die Angeklagte, die Bewohnerin gestoßen zu haben. Eine eigenmächtige Medikamentengabe an Personen schloss sie aus.

Polster gegen Gesicht gedrückt

Laut der Staatsanwältin wurde ein Sack voller Medikamente gefunden, die anderen Bewohnern vorenthalten oder nach dem Tod von Patienten nicht zurückgegeben worden sein sollen. Die 33-Jährige sagte in ihrer Einvernahme, sie wisse nichts von diesem Vorrat. Eine 45-jährige Mitangeklagte soll auf einen Bewohner eingeschlagen haben, ihm Parfum in den offenen Mund gesprüht und schließlich für mehrere Sekunden einen Kopfpolster gegen sein Gesicht gedrückt haben.

Zwei Kolleginnen hatten Vorfälle beobachtet und im März 2021 der Leitung des Senecura-Heims gemeldet. Die Dienstverhältnisse mit den vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurden sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe beendet. Die stark pflegebedürftigen Opfer sind nicht aussagefähig. "Die Patienten sind überwiegend nicht in der Lage, sich eigenständig zu bewegen oder sich zu artikulieren", sagte die Vertreterin der Anklagebehörde. "Ab dem Zeitpunkt, wo die Angeklagten weg waren, ist es den Patienten wieder besser gegangen", hielt die Staatsanwältin fest.

Verteidiger: Vorwürfe sind „schwer verdaulich"

"Es ist etwas schwer verdaulich, was hier vorgeworfen wird", sagte Rechtsanwalt Stefan Gloß. Medikamente seien etwa an randalierende Bewohner zur Beruhigung verabreicht worden. Der Verteidiger kritisierte, dass ihm und seinen Mandanten Akteneinsicht verwehrt worden sei. Die vorsitzende Richterin wies diesen Vorwurf zurück und bot eine Verschiebung des Prozesses und erneute Akteneinsicht an - "das wollen wir nicht", so der Rechtsanwalt.

Am Mittwochnachmittag stand eine weitere Befragung am Plan. Zwei der Angeklagten sollen bei der Fortsetzung am Donnerstag einvernommen werden. Weitere Termine sind für Februar und März geplant. Im Fall einer Verurteilung drohen dem Quartett bis zu zehn Jahre Haft.

(APA)

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