Visapolitik

EU will Rückführungen forcieren

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BULGARIA-TURKEY-BORDER-MIGRATIONAPA/AFP/NIKOLAY DOYCHINOV
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Brüssel will über die Visapolitik Druck auf Herkunftsländer ausüben. In Stockholm diskutieren die EU-Innenminister über weitere Möglichkeiten zur Eindämmung illegaler Migration.

Wie sollen abgelehnte Asylwerber schneller und effizienter in ihre Heimatländer zurückgebracht werden? Um diese Frage dreht sich das heutige Treffen der EU-Innenminister nahe Stockholm. Die schwedische Ratspräsidentschaft hat es sich zum Ziel gemacht, beim Streitthema illegale Migration in den kommenden Monaten deutliche Fortschritte zu erzielen – von „vernünftiger Basisarbeit“, auf die bis zur Europawahl im Frühjahr 2024 aufgebaut werden soll, ist die Rede. Doch die Liste der Probleme ist lang: Sie reicht vom restriktiven Außengrenzschutz bis zur Frage eines fairen Verteilungsschlüssels für Schutzbedürftige.

Dass die EU handeln muss, steht außer Debatte: Allein im vergangenen Jahr verzeichneten die Mitgliedstaaten insgesamt 924.000 Asylanträge, ein Plus von 46 Prozent im Vergleich zu 2021 und ein Höchstwert seit der großen Flüchtlingskrise der Jahre 2015/16.

Allerdings kehrt nur ein Fünftel jener Menschen, die einen negativen Bescheid erhalten, tatsächlich in ihre Heimatländer zurück. Als Negativbeispiele für Länder, die ihre in der EU abgelehnten Staatsbürger nicht zurücknehmen, werden Marokko und Algerien, aber auch Somalia, Eritrea und Äthiopien genannt. Die EU will nun den Druck auf diese Länder erhöhen. Ein möglicher Hebel ist die Kürzung finanzieller Mittel, ein weiterer die Aussetzung bestimmter Erleichterungen in der Visapolitik – etwa bei Bearbeitungsfristen von Anträgen oder der Visumgebühr.

Entzug von Handelsprivilegien

Ein weiterer Vorschlag zur Forcierung von Rückführungen kommt aus den Niederlanden: Den Haag will Herkunftsländer mit dem Entzug von Handelsprivilegien drohen. Wenn ein Entwicklungsland zoll- und quotenfrei in die EU exportieren will, muss es seine Staatsbürger zurücknehmen, heißt es frei übersetzt in einem informellen Papier, das unter EU-Ländern zirkuliert und der „Presse“ vorliegt.

Zudem fordert Den Haag, dass der Missbrauch der visafreien Einreise in die Union, die zahlreichen Drittstaaten ermöglicht wird, stärker sanktioniert wird: „Wir sollten sicherstellen, dass die EU einen Mechanismus hat, der greift, wenn die Nichteinhaltung der Visapolitik zu signifikanten Anstiegen von Migrationsströmen führt, einschließlich aus Drittstaaten, die ein Visum brauchen.“ Das zielt in erster Linie auf Serbien ab, das dabei zusah, wie Drittstaatsangehörige über Belgrad illegal in die EU einreisten. Alle EU-Beitrittskandidaten sollten bis 1. Juni ihre nationalen Visaregeln jenen der EU anpassen – oder erklären, wieso sie das nicht können.

Österreich – das mit 100.000 Asylanträgen im Vorjahr zu den hauptbetroffenen Mitgliedstaaten zählt – gehen die Fortschritte in der EU-Migrationspolitik nicht schnell genug. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) will mit seinen Amtskollegen in Stockholm auch über die von Wien ins Spiel gebrachte Idee einer „Zurückweisungs-Richtlinie“ diskutieren, die festlegen soll, dass Menschen mit „äußerst geringer Bleibewahrscheinlichkeit“ ohne langwieriges Asylverfahren bereits an der Grenze abgewiesen werden können. Die Niederlande schließen sich dieser Forderung an. Sie verweisen in ihrem Papier darauf, dass solche Schnellverfahren Teil des Asyl- und Migrationspaktes sind, den die Kommission im Herbst 2020 vorgelegt hat.

Problem Sekundärmigration

Ländern wie Österreich, den Niederlanden oder Deutschland machte zuletzt besonders die Sekundärmigration zu schaffen: Griechenland und Italien lassen Migranten ohne Registrierung in andere EU-Länder weiterziehen, obwohl sie selbst für das Asylverfahren zuständig wären. Den Haag pocht deshalb auf eine strenge Einhaltung der Dublin-Regeln. Anfang Februar findet ein Sondergipfel zur Migration statt.

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