Asyl

Kinder nicht befragt: VfGH hebt Abschiebeentscheidung auf

Die Presse
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Ein Familie aus Kasachstan hätte einem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts zufolge abgeschoben werden sollen. Das Wohl der Kinder sei laut VfGH aber unzureichend ermittelt worden.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat erneut eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben, weil das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Im konkreten Fall wurden die Kinder im Verfahren nicht zu ihrer Situation befragt, heißt es in einem Erkenntnis des VfGH. Das Ö1-"Morgenjournal" berichtete. Das Bundesverwaltungsgericht muss nun eine neue Prüfung durchführen und erneut entscheiden.

Im konkreten Fall ging es um eine kasachische Mutter mit zwei Kindern, die 2009 bzw. 2011 geboren wurden. Die Familie stellte in Österreich Ende Dezember 2012 Anträge auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl lehnte diese 2018 ab. Das Bundesverwaltungsgericht wies Beschwerden dagegen 2022 ab.

Gericht: „Keine Integrationsverfestigung"

In seiner damaligen Entscheidung führte das Gericht an, "dass die Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer infolge zahlreicher widersprüchlicher Angaben unglaubwürdig seien und dass die Beschwerdeführer in Kasachstan keinen ... relevanten Risken ausgesetzt seien". Bei der Prüfung, ob sie aufgrund ihres mittlerweile langen Aufenthalts in Österreich und des Grundrechts auf Privat- und Familienleben vor einer Abschiebung geschützt sind, kam man ebenfalls zu einem negativen Ergebnis.

So führt das Gericht unter anderem die mangelnden Deutschkenntnisse der Mutter ins Treffen und merkt an, dass die Kinder zwar mittlerweile Deutsch sprechen, "aber keine herausragenden schulischen Leistungen in Österreich vorzuweisen haben". Dabei wird darauf verwiesen, dass das ältere Kind in der Mittelschule einen Vierer in Deutsch und das jüngere in der Volksschule einen Dreier hat. "Insgesamt kann trotz des neunjährigen Aufenthalts keine Integrationsverfestigung ... in Österreich glaubhaft gemacht werden und aus ihrem Privatleben sind keine objektiven Gründe ersichtlich, die Rückkehrentscheidungen entgegenstehen würden."

VfGH: Kindeswohl unzureichend ermittelt

Die Familie argumentierte wiederum damit, dass die beiden Kinder "herausragend gut Hochdeutsch und auch Dialekt" sprechen würden, viele Freunde hätten und man in der Gemeinde gut vernetzt sei. Außerdem habe das Bundesverwaltungsgericht das Kindeswohl "nur sehr oberflächlich und unzureichend ermittelt".

Das sah auch der VfGH so: Die Ermittlungstätigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in Bezug auf die Aspekte des Kindeswohls sei unzureichend gewesen, "zumal die beiden minderjährigen (damals zehn und zwölf Jahre alt) Beschwerdeführer in der am 20. Dezember 2021 durchgeführten mündlichen Verhandlung nicht zu ihrer Situation befragt wurden und auch die Mutter der beiden minderjährigen Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zu diesem Thema nur mangelhaft befragt wurde." Deshalb sei es "nicht nachvollziehbar, wie das Bundesverwaltungsgericht das Maß der Integration ... der minderjährigen Beschwerdeführer ... beurteilen konnte".

Griss: Unverständlich, dass man sich nicht näher mit Kindern auseinandersetzt

Für die Vorsitzende der Kindeswohlkommission, Irmgard Griss, ist es bei Verfahren zu bereits lange in Österreich aufhältigen Kindern "unverständlich, dass man sich nicht näher damit auseinandersetzt, wie es den Kindern geht, was das für sie bedeutet, wieweit die Kinder die Sprache gelernt haben, in die Schule gehen und wie sie da zurechtkommen". All das müsse geprüft werden, so Griss im Ö1-"Morgenjournal“.

Die Kindeswohlkommission wurde nach einer umstrittenen Abschiebung eingesetzt. Der Fall der zwölfjährigen Tina und ihrer Familie im Jänner 2021 hatte für große Aufregung gesorgt. Im Juli des Vorjahres hatte der Verwaltungsgerichtshof die Abschiebung als rechtswidrig erklärt.

(APA)

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