Gastkommentar

Es wird ohnedies vieles verpolitisiert

Replik. „Beamte einer ungewählten Behörde“ schotten sich gegenüber Vorgaben des Gesetzgebers ab? Diese Sorge ist unbegründet.

Der Autor:

Dr. Wolfgang Urbantschitsch, LL.M. ist seit 2016 Vorstand der E-Control.

Reinhard Schanda, Vorsitzender des Firmenbeirats der IG Wind, also der Interessenvertretung von Windkraftbetreibern, fürchtet in einem Gastkommentar (20. 1.), „Beamte einer ungewählten Behörde“ – der E-Control – wären künftig ohne gesetzlichen Auftrag aktiv, wenn es darum geht, Stromnetztarife festzusetzen. Er bezieht sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Rs 718/18) und erkennt eine „Abschottung gegenüber politischen Vorgaben des Gesetzgebers“.

Zahlreiche Vorgaben

Schandas Sorge ist unberechtigt: Schon jetzt gibt es zahlreiche Vorgaben des Gesetzgebers zu den Stromnetzen. So bestimmt das Gesetz, welche Arten von Netzentgelten es gibt, was damit abgegolten wird und vor allem auch, welche Nutzergruppe (also ob Stromerzeuger und/oder -abnehmer) einen Beitrag zu leisten hat. Aus guten Gründen ist davon auszugehen, dass das auch in Zukunft, wenn die grundlegende Reform des Elektrizitätsrechts abgeschlossen ist, so bleiben wird.

Der EuGH hatte sich mit der deutschen Rechtslage auseinanderzusetzen, in der die dortige Bundesregierung mittels Verordnung Vorgaben für die Regulierungsbehörde trifft. Damit unterscheidet sich die Situation grundlegend von jener in Österreich, wo der Bundesregierung keine Rolle zukommt. Und auch die Nebenbemerkung (Rz 112) des EuGH hindert den Gesetzgeber nicht daran, grundlegende Verteilungsfragen zu beantworten. Jedenfalls auszuschließen ist dabei jedoch die „Möglichkeit einer bevorzugten Behandlung der mit der Regierung, der Mehrheit oder jedenfalls der politischen Macht verbundenen Unternehmen und wirtschaftlichen Interessen“. Insoweit verbleibt ein Spielraum des Gesetzgebers, der Behörde – auch im Sinne einer nachprüfenden Kontrolle – die grundlegende Richtung bei der Festsetzung der Netzentgelte vorzugeben. Die Grenze wird, abgesehen von einer unzulässigen Bevorzugung staatseigener Unternehmen, dort zu ziehen sein, wo die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde in einer Weise eingeschränkt ist, dass ihr sachlich begründete Entscheidungen verwehrt sind.

Schließlich noch zu den – von Schanda durchaus nicht schmeichelnd gemeinten – „Beamten einer ungewählten Behörde“ im Kontext der Unabhängigkeit: Unabhängige Verwaltungsbehörden waren in der österreichischen Rechtsordnung über viele Jahrzehnte eine Ausnahme. Mit der Einrichtung von Regulierungsbehörden ab dem Ende der 1990er-Jahre hat sich das geändert. Und man hat den Wert solcher Behörden, die über eine besondere fachliche Expertise verfügen und gleichzeitig eben nicht von einem politischen Organ geleitet werden, erkannt: Sachlich fundierte und ausgewogene Entscheidungen werden damit unterstützt; dies zuweilen freilich zum Missfallen von Interessenvertretungen, die ja ausschließlich ihrer jeweiligen Gruppe verpflichtet sind.

Strenge Gesetzesbindung

Selbstverständlich ist die demokratische Legitimation dieser Behörden sichergestellt, allein schon durch die strenge Gesetzesbindung (sie ist gerade nicht unabhängig vom Gesetzgeber, wie Schanda ausführt), die Rechtskontrolle, die Unabhängigkeit per se sowie die Berichtspflichten gegenüber dem Nationalrat. Und das auch ohne Wahl der Organe; unserer Rechtsordnung sind direkt gewählte Amtsträger generell weitestgehend fremd. Gerade unabhängige Verwaltungsbehörden tragen somit zu sachlichen und wohlbegründeten Entscheidungen in einer Zeit bei, in der ohnedies vieles verpolitisiert wird.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2023)

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