Kolumne zum Tag

Achtung, Sie könnten gleich den Kopf schütteln

Die Triggerwarnung breitet sich im Journalismus aus. Über die Warnung vor der eigenen Reaktion.

Bei der Masse an Artikeln, die sich in den vergangenen Wochen mit der Causa Teichtmeister auseinandergesetzt haben, sind Ihnen vielleicht jene eines bekannten österreichischen Nachrichtenmagazins entgangen. Wie anderswo auch wurde dort über Reaktionen aus der Kulturbranche berichtet. Wie nirgendwo sonst wurde aber online vor dem Lesen gewarnt: Die Geschichte behandle Pädophilie und Missbrauch, das könnte bei manchen Menschen „negative Reaktionen auslösen oder traumatische Erfahrungen reaktivieren“. Eine Triggerwarnung.

Die mentale Unverträglichkeitswarnung, bereits von US-Unis, aus Serien oder Filmen bekannt, ist nun also auch im heimischen Journalismus anzutreffen, in fetten Lettern und gerahmt. Und wirft die eine oder andere Frage auf. Etwa: Was soll man, als Leser mit oder ohne Trauma, mit der Information anfangen? Lösen Verbrechen nicht (hoffentlich) automatisch negative Reaktionen aus? Sollte ich meine Reaktion nicht selbst einschätzen können? Oder: Sollte ich den Artikel lieber doch nicht lesen? Vorher etwas essen oder vielleicht gerade nicht? Kuschelsocken anziehen oder die Wärmeflasche füllen?

So richtig ernst genommen fühlt man sich nicht bei diesem Hinweis. Mündige Leser, könnte man meinen, wissen ganz gut selbst, was sie rezipieren und aus welchen Gründen. Und prinzipiell kann man damit auch jederzeit aufhören, geht ganz leicht und lässt sich auch üben. (Muss aber nicht hier sein.)

Ich gebe zu, ich bin kein Fan der Triggerwarnung. Vielleicht, weil ich mich für entscheidungsfähig halte. Vielleicht aber auch, weil mir davor graut, dass Menschen nur noch das lesen könnten, womit sie sich wohlfühlen. Was positive Reaktionen hervorruft. Natürlich: Man will nicht immer der Realität begegnen. Doch muss man tatsächlich davor gewarnt werden?

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