… was bisher geschah: Im Supermarkt bei Ali und seiner Frau besteht noch immer höchster Klärungsbedarf. Man sehnt sich nach einer Autorität, die liebevoll ordnet, was liebestoll durcheinandergebracht worden ist.
Ali sieht sich das ganze Schlamassel mit seinen treuherzigen schwarzen Augen an. Die drei Liebesclowns liegen ihm am Herzen. Alis Frau hat kein Verständnis: „Alle raus und an die Arbeit“, ruft sie auf Türkisch, und das ist nur die freundliche Übersetzung.
Vor dem Geschäft bittet Ali nun Ellis, Hanna und Byamba, sich auf den kleinen Mauervorsprung zu setzen, bevor sie sich wieder auf den Weg, die Radwege Wiens, machen. Wie ein strenger, aber gerechter Vater steht er nun vor den drei zitronengelben Gestalten vom Lieferdienst Wien. Er öffnet mit leisem Knall eine Packung Sonnenblumenkerne und reicht sie weiter. Jeder soll sich davon nehmen. „Die Menschen sind nicht wie Sonnenblumenkerne“, hebt er bedeutungsvoll an. „Du kannst in der Liebe nicht teilen. Einmal da ein Kern, einmal dort. Und wenn alles aufgegessen ist, kommst du zu Ali und kaufst eine Familienpackung? Menschen sind anders. Sie haben immer wieder versucht, in der Liebe zu teilen. Aber was folgt immer wieder? Mord und Totschlag! Die gesamte Geschichte des Abend- und des Morgenlandes: eine Geschichte von Mord und Totschlag wegen Liebesverwirrung.“ Ali macht eine kleine Pause, um Luft zu holen. Dann wird er laut: „Geht nicht! Musst du lösen, Bruder.“
Byamba deutet mit dem Finger fragend auf sich. Die jungen Frauen springen ihm bei: „Wieso denn Bruder? Wir alle müssen es lösen. Schwester Ellis und Schwester Hanna doch genauso.“ Ali wird lauter: „So oder so! Schwester! Die Schwestern haben den Salat doch erst veranstaltet, die Bescherung gezuckert, das Chaos gekocht!“ Ganz klar hat Ali sich in seiner Rage nicht ausgedrückt, aber die Synopsis des Gesagten vermittelt sich doch: Hanna und Ellis müssen den Knoten mit Byamba lösen, das Straßennetz entwirren, die Fahrradketten ölen, um nicht aus den Satteln geworfen zu werden.
„Seht her, Ali und seine Frau haben auch Probleme mit Sonnenblumenkernen gehabt“, erzählt Ali mit gedämpfter Stimme. Aus dem Inneren des Geschäftes hört man seine Frau schimpfen, Wörter, die sich einer Übersetzung entziehen. „Ali“, fährt er fort, „hat zu viele Sonnenblumenkerne gegessen, mehr oder weniger. Ist dick geworden davon und hat Gedanken von Mord und Totschlag bei Alis Frau ausgelöst, mehr oder weniger.“ Hanna nickt: „Das klingt eher mittelgut.“ – „Ali und seine Frau mussten neu zusammenfinden. Mussten den Geschmack der alten Kerne gemeinsam kosten und neu schmecken lernen. Rösten, Salz dazu. Gemeinsam auf der Gasse sitzen und dem Straßenverkehr zusehen. Den Tauben die Schalen zuwerfen. Den eingetrockneten Kaugummi vom Gehsteig entfernen. Ali hat sich entscheiden müssen, und seine Frau hat ihm verzeihen und ihr Herz wieder öffnen müssen.“ Alis Frau tritt aus dem Geschäft und sieht Ali mit mildem Blick an. „Ali“, sagt sie, und das kann man hier nun getrost wieder übersetzen, „er ist der Vater meiner Kinder.“ Ali umarmt seine Frau und nickt Byamba, Hanna und Ellis aufmunternd zu. Die Wangen von Alis Frau glänzen. „Und ich hab Sem Eisinger“, sagt sie und klopft auf ihr Smartphone. Die Videos des Schmusesängers begleiten sie durch den Tag an der Kassa von Ali’s Supermark, dem Markt ohne T, aber mit viel Fladenbrot, Ayran, ägyptischen Datteln und bulgarischem Schafskäse in der Salzlake. Fortsetzung folgt