Stummfilmstar Evelyn Brent vor ihrer Parfumsammlung, 1930.
Spectrum

Die Poesie von Parfum

Dass ich Vanillenoten bei Düften schätze, obwohl mir Vanille als Gewürz gar nicht schmeckt, ist nur scheinbar ein Widerspruch. Denn bei vielen Dingen im Leben verhält es sich so, dass die Fantasie besser ist als die Realität. Von Kopf-, Herz- und Basisnoten.

Ich bin sehr wechselhaft in meinen Hobbys und Interessen. Es gehört zu meinen Leidenschaften, spontan für neue Themen zu entflammen und mich in Wissensgebiete einzulesen, von denen ich zuvor kaum etwas wusste. Innerhalb kurzer Zeit sammle ich Informationen, denke mich in eine fremde Logik hinein, übernehme das Vokabular, und es dauert nicht lang, bis ich mich wieder für etwas anderes begeistere. Schon mein ganzes Leben lang führe ich Notizbücher zu jedem Thema, das mich interessiert: ein Lesetagebuch, ein Balkonpflanzentagebuch, ein Weinverkostungstagebuch sowie eine ganze Menge Reise- und Ausflugstagebücher, bevorzugt im A4-Format mit dickem Papier, damit ich ungezügelt groß schreiben, viel durchstreichen und problemlos Fotos, Zeitungsausschnitte oder Postkarten zwischen meine Notizen kleben kann. Vor einigen Monaten beschloss ich, die zweite Hälfte meines Kochtagebuchs dem Thema „Parfum“ zu widmen. Hier begann ich, zu jedem Duft, den ich besitze, die Kopf-, Herz- und Basisnoten aufzuschreiben, Informationen zum Hersteller oder zur Marke festzuhalten sowie meine persönliche Meinung dazu.

Die Faszination für Düfte entstand bei mir, wie fast alles Bedeutende in meinem Leben, durch kompletten Zufall. Nach einem langen Tag klickte ich mich online müde durch Videos und landete bei einem Gespräch über Parfum. Was mich sofort fesselte, war das unglaublich reichhaltige Vokabular, mit dem das Ehepaar vor der Kamera Dufterlebnisse beschrieb, als wären es Kurzgeschichten. Es wirkte souverän und kreativ zugleich und erinnerte mich an die Art, wie mein Freund und ich gerne über guten Wein reden – mit ihrem Wechselspiel von Fachwissen und eigenen Empfindungen und der Art, wie sie gegenseitig aufeinander reagierten: „Ja, ich stimme dir zu, aber ich schmecke hier noch ganz dezent eine andere Note heraus.“ Es war mir völlig neu, dass Parfums so reiche Imaginationswelten hervorrufen konnten wie Musik, Lyrik oder Malerei. Ein Duft konnte rauchig und herb sein und an einen Nachtclub in Paris erinnern oder das Bild einer Blumenwiese im Sommer evozieren.

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