In ihren Zwanzigern konzentrieren sich junge Menschen heute auf sich selbst. Romantische und sexuelle Partner wechseln rasch und häufig. Anstelle von Langzeitbeziehungen werden Situationships geführt.
Man trifft einander, lernt einander besser kennen, schläft miteinander: Es passt. So weit entspricht das Liebesleben junger Menschen auch heute noch dem Modell vergangener Jahrzehnte. Der nächste Schritt allerdings, hin zur Verpflichtung, zum öffentlichen Bekenntnis zueinander, kurz gesagt zur „fixen“ Beziehung, der dauert oft lang oder erfolgt sogar nie. Eine Fast-Beziehung sozusagen, oder wie es die Teilnehmerin einer US-amerikanischen Dating-Reality-Show 2019 ausgedrückt hat, als man sie nach ihrem Liebesleben fragte: „Ich hatte noch keine richtige Beziehung, aber schon einige Situationships.“
Die Äußerung der damals 21-jährigen Alana Morrison in der CBS-Show „Love Island“ hat dem Begriff zu einer ordentlichen Karriere verholfen: Unter dem Hashtag #Situationships haben seither zahlreiche junge Menschen ihre Beziehungssituation online beschrieben und kommentiert. Auf TikTok allein wurde der Begriff zwei Milliarden Mal aufgerufen. Hier finden sich Ratschläge, wie man erkennt, ob man in einer Situationship ist (eine Person könnte dabei verletzt werden), wie aus der „Situation“ tatsächlich eine Beziehung werden kann (am besten so tun, als ob man jemand anderen kennengelernt hätte) oder wie man aus einer unglücklichen Situationship wieder herauskommt (die Realität akzeptieren und das Weite suchen).
Nichts Fixes
Der Begriff ist so neu, dass es noch keine deutsche Übersetzung dafür gibt. Die Psychotherapeutin und Paartherapeutin Anna Maria Diem versucht sich in einer Definition: Sie versteht darunter ein romantisches und sexuelles Verhältnis, aber eben ohne die Etikette „Beziehung“: „Es ist eine Art Schwebezustand nach dem Motto: Alles ist möglich und nix ist fix.“ Diese Situationen, das zeigen auch die Erfahrungsberichte in den sozialen Medien, umfassen eine weite Bandbreite, von Freundschaft plus über geheim gehaltene Affären bis hin zu rasch wechselnden romantischen Beziehungen. Nur eines haben sie alle gemein: Sie münden nicht zwangsläufig in eine feste, langfristige Partnerschaft.
Die Gründe dafür sind laut Diem vielfältig, etwa die Angst davor, Verantwortung für jemand anderen zu übernehmen, die Hoffnung, vielleicht noch jemand Passenderen zu finden, oder einfach praktische Gründe, wie ein bevorstehendes Auslandssemester.