Friedhöfe: Getrennt und doch gemeinsam im Tod

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Nicht immer war es so selbstverständlich seine letzte Ruhe gemäß dem jeweiligen Glaubensbekenntnis auf einem Friedhof zu finden. Auf dem Wiener Zentralfriedhof gibt es eigene Abteilungen für mehrere Religionen.

Wien. Friedhöfe haben von Natur aus meist einen religiösen Charakter. Das wohl nicht ohne Grund, ging in Wien die Zuständigkeit für Begräbnisstätten doch erst im Jahr 1863 von der Kirche auf die Stadt über. Mittlerweile unterstehen 46 der 55 Wiener Friedhöfe der städtischen Verantwortung, während neun Ruhestätten weiterhin konfessionell geführt werden: Neben drei Pfarrfriedhöfen gibt es zwei protestantische, eine von der Israelitischen Kultusgemeinde und eine von der Islamischen Glaubensgemeinschaft gepflegte religiöse Ruhestätte.

Nicht immer war es so selbstverständlich wie heute, seine letzte Ruhe gemäß dem jeweiligen Glaubensbekenntnis auf einem Friedhof finden zu können. Protestanten zum Beispiel erhielten erstmals 1598 einen eigenen Ort der Totenruhe auf dem Kaiserlichen Gottesacker zugesprochen – den heutigen Höfen 8 und 9 des Alten AKH. Angehörige der jüdischen Glaubensgemeinschaft wurden zwischen 1540 und seiner Schließung im Jahr 1783 auf dem Jüdischen Friedhof Roßau im 9. Wiener Bezirk beigesetzt.

Der erste Ort Wiens, an dem Verstorbenen ungeachtet ihrer persönlichen religiösen Überzeugung eine letzte Ruhestätte geboten werden sollte, war der im Jahr 1874 eröffnete Zentralfriedhof in Simmering. Mittlerweile befinden sich auf seinem Gelände zwar auch zahlreiche getrennt religiöse Begräbnisstätten, jedoch ist das Hauptgelände des Zentralfriedhofs von Beginn an explizit konfessionslos angelegt gewesen.

Juden, Orthodoxe, Kopten

Drei Jahre nach seiner Eröffnung wurde der jüdischen Gemeinde die erste Grundfläche für religiöse Bestattungen zugesprochen. Diese Abteilung war jedoch bereits 1916 derart ausgelastet, dass man im Westen des Geländes einen weiteren, den Neuen Israelitischen Friedhof, einweihte.

Die russisch-orthodoxe Kultusgemeinde bestattet ihre Anhänger seit 1895 ebenfalls in einem gesonderten Teil des Friedhofs. Im Jahr 1904 wurde auch ein kleiner evangelischer Friedhof eingeweiht. Bis heute entstand neben Begräbnisstätten der bulgarisch-, griechisch-, serbisch- und syrisch-orthodoxen Kirchen auch eine eigene koptische Ruhestätte auf dem Friedhofsareal.

Muslime werden bereits seit 1876 auf dem interkonfessionellen Hauptgelände beigesetzt. Ihre Gräber sind stets, wie es die Religion vorgibt, gen Mekka ausgerichtet. Eine eigene Abteilung erhielt die islamische Religionsgemeinschaft dann 1970. Sie wurde später zusätzlich um einen islamisch-ägyptischen Bereich erweitert.

Im Zuge des steigenden Anteils von Muslimen an der Bevölkerung wurde im Oktober 2008 der erste islamische Friedhof Österreichs in Wien Liesing eröffnet. Auf diesem Grundstück, das der Glaubensgemeinschaft von der Stadt Wien zur Verfügung gestellt wurde, können 4000 gläubige Muslime ihren Ort der letzten Ruhe finden.

Die jüngste religiöse Gemeinde mit gesondertem Bereich auf dem Gelände des Zentralfriedhofs ist jene der Buddhisten. Im Jahr 2003 segnete ein buddhistischer Mönch den Boden, in dem seit 2005 die religiösen Anhänger des Buddhismus rund um eine Pagode bestattet werden – in dieser Art eine Seltenheit außerhalb Asiens.

Integration im Tod

Zwar sind auf Wiener Friedhöfen bei Weitem nicht alle Religionen und Konfessionen mit eigenen religiösen Begräbnisstätten vertreten, dennoch scheint sich gerade beim Thema Sterben über die Jahrhunderte hinweg eine ganz besondere Art von Integration und Öffnung vollzogen zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2011)

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