Niederösterreich-Wahl

Wie aus einem türkisen Bonus ein Malus für Mikl-Leitner wurde

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP)
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) APA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Blickt man auf die Geschichte der Volkspartei, fällt auf: Unter der Führung von Sebastian Kurz gewannen Schwarze und Türkise Wahlen - seit dem Herbst 2022 ist das anders.

Die jüngere Parteigeschichte der Volkspartei zeigt, dass Erfolg und Misserfolg bei Wahlen weitgehend mit dem Auf- und Abstieg des ehemaligen ÖVP-Chefs und -Kanzlers Sebastian Kurz einhergehen. So auch bei der niederösterreichischen Landtagswahl. Sorgte 2018 türkiser Rückenwind beim ersten Urnengang von Johanna Mikl-Leitner noch dafür, dass die absolute Mandatsmehrheit gehalten werden konnte, blies diesmal scharfer Gegenwind - zum einen, wie Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner noch am Wahlabend einräumte, aufgrund einer „Welle von Krisen“, der sich Österreich und damit der Bund ausgesetzt sehen. Zum anderen aber wohl auch aufgrund hausgemachter schwarz-türkiser Affären.

Der Reihe nach: Am Sonntag setzte es für die Landes-ÖVP das schlechteste Ergenis in ihrer niederösterreichischen Geschichte. Dem vorlöäufigen Endergebnis zufolge, kommen sie auf 39,9 Prozent, was einem satten Minus von 9,69 Prozentpunkten entspricht. Gehalten werden konnte zwar der erste Platz, aber die absoluten Mehrheiten im Landtag und in der Landesregierung gingen verloren. Künftig brauchen die Schwarzen also nicht nur einen Partner für eine Mehrheit im Landtag, sondern - erstmals seit 1945 - auch für Beschlüsse in der Landesregierung.

Wie konnte es dazu kommen? Ein Erklärungsansatz lautet: Der Beginn des Werdegangs der ehemaligen Innenministerin Mikl-Leitner als Landeschefin fiel mit der Inthronisation von Sebastian Kurz als ÖVP-Bundesparteichef zeitlich zusammen. Denn als Mikl-Leitners einstiger Integrationsstaatssekretär Kurz im Mai 2017 bei der Landeshauptleutekonferenz im Tiroler Alpbach von den schwarzen Landeschefs auf den Schild gehoben und wenig später zum Bundesparteichef designiert wurde, absolvierte sie gerade ihren ersten Auftritt in der Landeshauptleutekonferenz. Nur einen knappen Monat zuvor hatte Mikl-Leitner die Staffel von ihrem Vorgänger Erwin Pröll übernommen.

Nach der Machtübernahme von Kurz stellte sich Mikl-Leitner im Jänner 2018 erstmals als Landeschefin der Wahl - und das im Fahrwasser der Nationalratswahl 2017, deren Ausgang die ÖVP bekanntlich auf den ersten Platz und Kurz ins Kanzleramt gespült hatte. Damals gelang es der Volkspartei in Niederösterreich mithilfe des türkisen Rückenwinds die absolute Mehrheit zu halten.

Plus unter Kurz bei allen Landtagswahlen

Ähnlich verhielt es sich dann auch bei den darauffolgenden Landtagswahlen in den anderen Bundesländern in den Jahren 2018 bis 2021. In allen acht Urnengänge auf Landesebene bis zu Kurz' Rücktritt stand ein Plus vor dem Ergebnis der Volkspartei.

Mitreden bei der NÖ-Wahl: Was sagen Sie zum Ergebnis? Diskutieren Sie mit!

>>> Hier geht's zum Forum

Im Februar 2018 hatte Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) mit türkiser Wahlhilfe aus dem Bund ein Plus von 4,9 Prozentpunkten eingefahren. Auch die Landtagswahlen in Kärnten (plus 1,1 Prozentpunkte) und in Salzburg (plus 8,8 Prozentpunkte) brachten in diesem Jahr Zugewinne für die jeweiligen Landesschwarzen.

Ähnlich verlief das Jahr 2019. Nach dem Ibiza-Video und dem Platzen der türkis-blauen Koalition verbunden mit dem Einbruch der Freiheitlichen bescherten die Wahlen in Vorarlberg und in der Steiermark Erfolge. Nach einem Zugewinn von 6 Prozentpunkten bei der Nationalratswahl im September verzeichnete die Landespartei in Vorarlberg ein Plus von 1,7, die steirische Landespartei stieg gar um 7,6 Prozentpunkte in der Wählergunst.

Und auch im Jahr 2020 zeigte im Burgenland (plus 1,5) und in Wien (plus 11,2) die Tendenz der (damals) Türkisen bei den Urnengängen im Land zunächst nach oben. Nur noch leichte Zugewinne (plus 1,2) gab es dann im September in Oberösterreich - unmittelbar vor den von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angeordneten Hausdurchsuchungen bei der Bundespartei und nachdem diverse Chatprotokolle von Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid medial bekannt geworden waren.

Erstes Minus im Herbst 2022

Das erste und dann gleich saftige Minus fuhr die Volkspartei im vergangenen Herbst in Tirol ein, nachdem sich Kurz Ende 2021 wegen Korruptionsermittlungen der WKStA aus allen politischen Ämtern zurückgezogen hatte. Für Platters Nachfolger, Anton Mattle, setzte es im vergangenen September ein sattes Minus von fast zehn Prozentpunkten.

Ebenso verhielt es sich nun für die ÖVP in Niederösterreich. Innerparteilich infrage gestellt wurde Mikl-Leitner aber nicht, sie selbst teilte am Wahlabend mit, dass sie Landesparteichefin und Landeshauptfrau bleibe - auch wenn ihr Verlust noch ein Eck größer ausfiel als das bis dato größte Minus der Schwarzen im flächengrößten Bundesland. Dieses datiert vom 16. Oktober 1988, mit minus 6,95 Prozentpunkten unter Landeshauptmann Siegfried Ludwig. Auch dieser war Landeschef geblieben (was Mikl-Leitner nun auch für sich beansprucht) - und hatte damals die Bundeskoalition (seit 1986 Große Koalition) für den großen Verlust verantwortlich gemacht.

Erst 1992 übergab er an Erwin Pröll, bei dessen erster Wahl am 16. Mai 1993 die VP nochmal verlor (3,37 Prozentpunkte) und damit ihr bisher schlechtestes Ergebnis (44,23 Prozent) einfuhr.

Auf einen Blick

Johanna Mikl-Leitner verliert nicht nur die absolute Mehrheit im Landtag, sondern auch in der Regierung. Vier schwarze Mandate stehen drei blauen und zwei roten gegenüber. Damit wird in der Theorie möglich, wovor die ÖVP warnte: Blau-Rot. Wobei zwei Faktoren das aber nach wie vor sehr unwahrscheinlich machen. Erstens: Blau und Rot haben keine Mehrheit im Landtag. Da der Landeshauptmann vom Landtag gewählt werden muss, bräuchten FPÖ und SPÖ die Stimmen der Grünen oder der Neos – das aber ist schwer vorstellbar. Und zweitens: SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl hat ausgeschlossen, einen Freiheitlichen zum Landeshauptmann zu machen. Als stärkere Partei hätte die FPÖ darauf Anspruch – fraglich, ob FPÖ-Chef Udo Landbauer verzichten würde, nur um die ÖVP von der Macht zu verdrängen.

(Red./APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner könnte neuer Klubchef werden, ist zu hören.
Wahl-Nachwehen

In Niederösterreich nimmt das ÖVP-Personalkarussell Fahrt auf

Gerüchten zufolge haben nicht nur Jochen Danninger und Ludwig Schleritzko gute Chancen, neuer Klubchef zu werden.
FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz, Spitzenkandidat Udo Landbauer und FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl
Niederösterreich-Wahl

ÖVP verliert in 566 Gemeinden, FPÖ gewinnt in 571 dazu

Die Volkspartei konnte in nur sieben der 573 Gemeinden ein Plus verzeichnen. Die FPÖ avancierte in 20 Gemeinden zur stärksten Partei.
Kärntens FPÖ-Spitzenkandidat Erwin Angerer
Landtagswahl

Niederösterreich-Wahl weckt Hoffnungen in Kärntens FPÖ

Nach dem Urnengang in Niederösterreich haben die Freiheitlichen nun 20 Funktionen zu besetzen. In Kärnten machen sich derzeit viele Fraktionen für das Landesparlament fit.
Die ÖVP wird "die Macht erstmals teilen müssen", und das wohl mit der SPÖ, sind sich die beiden Experten einig.
Landtagswahl

Niederösterreich könnte "Koalition der Verlierer" bekommen

Die Schuld am historisch schlechtesten Ergebnis der ÖVP ist für Meinungsforscher zum Teil hausgemacht, vieles liege aber auch "außerhalb ihrer Hemisphäre".
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Vorschau

Der österreichische Wahlkalender bis 2025

Kärnten wählt am 5. März und Salzburg am 23. April den Landtag neu. Die Nationalratskür ist spätestens im September 2024 fällig.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.