Gastkommentar

Menstruation im Spitzensport: Viva la Radfahren!

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Wieso der „monthly cycle“ von Mikaela Shiffrin uns zu Diskussionen anregen sollte - und der Anfang einer kleinen Periodenrevolution sein könnte.

Man kann zugeben, dass es lustig ist, wenn ein TV-Kommentator den Monatszyklus von Frauen („monthly cycle“) mit „Radfahren jeden Monat“ übersetzt. Der verbale Einfädler meines ORF-Kollegen beim Live-Interview mit Skistar Mikaela Shiffrin, nach ihrem 84. Weltcupsieg vergangene Woche, hat weit über die Sportwelt hinaus für Lacher gesorgt. Aber Fehler passieren nun einmal. Vor allem, wenn man in einer Live-Situation als Simultanübersetzer ohne qualifizierte Ausbildung fungiert. Fehler sind also durchaus menschlich – und das Lachen darüber ebenso.

Im Fall von Mikaela Shiffrin und dem Übersetzungsfehler im ORF-Fernsehen böte es sich aber auch an, das Thema Menstruation im Allgemeinen und im Spitzensport im Besonderen aufzugreifen und aus der Tabu-Ecke zu holen. Shiffrin, die erfolgreichste Skifahrerin der Weltcupgeschichte, ist mit Sicherheit nicht die einzige Athletin, die rund um ihre Tage Probleme im Training hat. Studien deuten darauf hin, dass der Monatszyklus die Leistungsfähigkeit und sogar die Verletzungsanfälligkeit beeinflussen kann. Der Fußballklub Chelsea arbeitet deshalb, als erster Club weltweit, mit einer Zyklus-App, in der die Spielerinnen Symptome und andere Informationen über ihre Periode eintragen können. Das Training kann man an den Zyklus anpassen, den Wettkampfkalender nicht. Ein Großteil der Spitzensportlerinnen nimmt deshalb durchgehend hormonelle Verhütungsmittel, weil sie so ihre Menstruation in wichtigen Phasen der Wettkampfsaison unterdrücken können. Mikaela Shiffrin tut das offenbar nicht. Sonst hätte sie nicht von Beschwerden wie Müdigkeit rund um ihren „monthly cycle“ erzählt.

Dass sie das Thema so offen angesprochen hat, liegt wohl nicht nur daran, dass sie ein Tabu brechen möchte, sondern auch daran, dass sie von einer Sportreporterin, also einer Frau, interviewt wurde. Sowohl im Journalismus als auch im Trainer- und Funktionärsbereich ist Sport nach wie vor eine Männerdomäne. Laut einer BBC-Umfrage aus dem Jahr 2020 ist es 40% der befragten Sportlerinnen unangenehm, mit ihren männlichen Trainern über ihre Menstruation zu sprechen. Männer können sich in Regelschmerzen und dergleichen nicht einfühlen, also professionell nicht so gut darauf reagieren.

Als wären Frauen einfach nur kleine Männer!

Eine interessante Tatsache dazu ist, dass sich sportwissenschaftliche Studien lange Zeit ausschließlich auf Männer konzentriert haben. Ergebnisse wurden einfach für Frauen umgerechnet und Trainings- und Ernährungspläne leicht angepasst. Ganz so, als wären Frauen einfach kleinere Männer!

Dieser Gedanke findet sich auch in der Medizin und in anderen Bereichen wieder, wie etwa der Testung mit Crashtest-Dummys im Rahmen der Verkehrssicherheit – und auf die Gesundheit von Frauen hat das fatale Auswirkungen. Immer wieder zeigen Studien, dass Frauen bei Unfällen mit 47 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit schwerer verletzt werden als Männer.

Ich behaupte, Shiffrin hätte ihre Menstruation gegenüber einem männlichen Reporter nicht so leichtfüßig thematisiert. Mehr Frauen im Sportjournalismus bieten also die Chance auf eine größere Themenvielfalt und generell mehr Diversität. Auch darüber könnte die Causa „monthly cycle“ eine Diskussion anstoßen. Dann könnte man sie als Geschenk sehen, das statt Spott und Häme, Applaus und echte Konsequenzen zur Folge hat. Dann wäre sie der Anfang einer kleinen Periodenrevolution. Viva la Radfahren!

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Autorin:

Mari Lang (42) ist langjährige ORF-Journalistin und ehemalige Sportmoderatorin. Seit 2020 betreibt sie den Podcast „Frauenfragen“. Als Keynote-Speakerin spricht die Mutter zweier Mädchen regelmäßig über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und andere Gender-Themen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2023)

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