Offener Brief

Verkehrswissenschaftler fordern Tempo 100 auf Autobahnen

APA/RUBRA
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In Ortsgebieten solle man künftig nur mehr bis zu 30 km/h fahren dürfen, auf Freilandstraßen 80 km/h. Dafür gebe es „gute wissenschaftliche Gründe“, schreiben die Expertinnen und Experten in einem Offenen Brief an die Regierung.

Verkehrsexpertinnen und -experten fordern in einem Offenen Brief an die Bundesregierung eine Temporeduktion auf Österreichs Straßen. Für ein Limit von 30 km/h im Ortsgebiet, 80 km/h auf Freilandstraßen und 100 km/h auf Autobahnen gebe es "gute wissenschaftliche Gründe", heißt es in dem Schreiben der Leiterinnen und Leiter von Verkehrsinstituten bzw. -forschungsbereichen der Technischen Universität (TU) Wien, der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien und der Uni Innsbruck.

Vom Verkehrsministerium kam am Mittwoch umgehend ein Nein für strengere Tempolimits - weil es im Nationalrat keine Mehrheit dafür gebe. Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte niedrigeren Tempolimits bereits mehrfach eine Absage erteilt, hält diese jedoch für sinnvoll. "Geringes Tempo führt zu weniger Verkehrstoten, verursacht weniger klimaschädliche Emissionen und spart durch den geringeren Treibstoffverbrauch auch Geld. Es gibt jedoch für eine gesetzliche Änderung der Höchstgeschwindigkeiten im Nationalrat keine Mehrheit. ÖVP, SPÖ, FPÖ und Neos haben sich dagegen ausgesprochen. Das ist in unserer Demokratie selbstverständlich zu akzeptieren", hieß es aus dem Ministerium. Zeitgleich wurde jedoch appelliert, langsamer zu fahren.

Zustimmung erhielten die Wissenschafter vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) sowie Klimaaktivisten wie der "Letzten Generation" oder Umweltschutzorganisationen wie Global 2000. Der ÖAMTC ist weiterhin gegen gesetzlich verordnete Tempolimits, aber für Überzeugungsarbeit.

„Wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesen"

Es sei „wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesen", dass eine Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten die effizienteste Maßnahme ist, um verkehrsbedingter Treibhausgasemissionen zu reduzieren, so die Expertinnen und Experten. Es sei zudem die wirkungsvollste Maßnahme, um die Zahl der Verletzten und Getöteten im Straßenverkehr und die Abhängigkeit von fossilen Treibstoffen zu verringern, heißt es in dem Offenen Brief.

Das Schreiben ist auch an den Nationalrat und die Bundesländer gerichtet. Initiiert wurde es von Günter Emberger (Forschungsbereich Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, TU Wien), Martin Berger (Forschungsbereich Verkehrssystemplanung, TU Wien), Astrid Gühnemann (Institut für Verkehrswesen, Boku) und Markus Mailer (Arbeitsbereich Intelligente Verkehrssysteme, Uni Innsbruck).

Mehr Kontrollen, Strafen erhöhen

Aus diesen Gründen sollten nicht nur die Tempolimits herabgesetzt werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordern, die Korntrollen auszuweiten, damit zulässige Höchstgeschwindigkeiten eingehalten werden. Außerdem sollen Messtoleranzen bei Radarkontrollen auf das technisch notwendige Minimum reduziert und bundesländerspezifischen "Straftoleranzen" abgeschafft werden. Sie plädieren dafür, Strafhöhen in ganz Österreich zu vereinheitlichen und anzuheben, "um die präventive Wirkung zu erhöhen".

Mit der geforderten Temporeduktion könnten den Expertinnen und Experten zufolge die CO₂-Emissionen aus dem Kfz-Verkehr um rund 2,4 Millionen Tonnen bzw. zehn Prozent gegenüber 2019 gesenkt werden. Bei gleicher Verkehrsleistung würden 900.000 Tonnen bzw. zehn Prozent weniger an fossilem Treibstoff verbraucht. Zudem würden damit im Straßenverkehr rund 116 Menschen (28 Prozent) weniger getötet und knapp 7000 (19 Prozent) weniger verletzt.

„Enormer volkswirtschaftlicher Nutzen"

Auf Autobahnen brächte ein Tempo-100-Limit einen individuellen Zeitverlust von rund elf Minuten auf 100 Kilometer. Dem stehe eine Kostenersparnis von bis zu 2,8 Euro bei dieser Distanz gegenüber. Dazu komme ein "enormer volkswirtschaftlicher Nutzen in Form eingesparter Unfall-, Lärm- und Umweltkosten".

Für Emberger ist es "klar, dass wir angesichts der drohenden Klimakatastrophe unsere Mobilität neu überdenken müssen". Eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit sei ein leicht umzusetzender und rasch wirksamer Schritt in diese Richtung. Der Experte verweist auf den mit der Geschwindigkeit sinkenden Energiebedarf, egal ob beim Verbrennungs- oder Elektromotor.

Berger nennt weitere Vorteile eines geringeren Tempos: Dies bedeute auch weniger Lärm, weniger Feinstaub durch Reifen- und Bremsabrieb, weniger Stickoxide und weniger Verkehrsunfälle. "Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum wir nicht nur eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen vorschlagen, sondern uns eine generelle Temporeduktion wünschen, auch auf Freilandstraßen und im Ortsgebiet", betonte Mailer.

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(APA)

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