Geschichte

Ahoi, ihr freien Geister! Piraten als die ersten Aufklärer

IMAGO/Mary Evans
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Schufen Piraten auf Madagaskar ab 1700 eine egalitäre Demokratie, ein echtes „Libertalia"? Im letzten Buch des Anthropologen David Graeber bleibt manches Wunschdenken. Aber es verrät viel über unsere Sehnsüchte einst und jetzt.

Was für ein Job: Gesandter eines Landes zu sein, das es gar nicht gibt. Mit einer solchen Narretei ließ sich Anfang des 18. Jahrhunderts gutes Geld verdienen. An vielen europäischen Höfen sprachen sie vor – Vertreter eines neuen Königreichs auf Madagaskar, diesem exotischen Paradies, bevölkert von zehntausend Piraten und Verbündeten von überall. Mit einer großen Flotte an Kriegsschiffen, eine aufstrebende Seemacht. Allenthalben erregten sie Aufsehen, in Paris, Amsterdam, Konstantinopel. Die schwedische Regierung unterzeichnete schon erste Verträge und wollte einen Botschafter entsenden. Zar Peter der Große plante eine Allianz und eine russische Kolonie auf der afrikanischen Insel. Dabei war, rund um einen kleinen wahren Kern, fast alles frei erfunden – so wie bei Libertalia oder Libertatia, der utopischen Version dieses Piratenstaats, die bis heute so viele linke und libertäre Sehnsüchte weckt.

„Wo wir sind, ist immer Libertatia“, sangen 2014 Ja, Panik, fürs Video in einer Badewanne in Berlin, wo die Burschen aus dem Burgenland mit ihrer Indieband Furore gemacht haben. Gegründet haben sollte dieses Reich nach ersten Gerüchten Henry Every. Dieser Star unter den Piraten hatte ein Pilgerschiff indischer Muslime gekapert, voll mit Gold und Edelsteinen, die größte je gemachte Beute. Der Begriff „Libertalia“ findet sich erst in der „General History of the Pyrates“ von 1728, einem unter Pseudonym erschienenen Werk, das man früher Daniel Defoe zuschrieb. Generationen von Historikern haben sich an diesem Gewirr von Fakten und Fiktion die Zähne ausgebissen.

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