Gastkommentar

Feindbild Wahlarzt

Sind Kassenärztinnen zu einem gewissen Grad für die Politik steuerbar, so scheren die Wahlärztinnen völlig aus.

Der Autor:

DDr. Peter Schuller-Götzburg ist FA für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Kassen und Wahlarzt in Salzburg.

Endlich ist der Grund für die seit Monaten und Jahren ins Stocken geratenen Reformen im Gesundheitswesen detektiert worden: die Wahlärztinnen und -ärzte. Also jene Ärztegruppe, die ohne Kassenvertrag im niedergelassenen Bereich tätig ist und sich dabei nur die Rosinen herauspickt. Nicht die Länder mit ihren Landeshauptleuten, nicht die Gesundheitskassen, nicht die unattraktiven Kassenverträge. Es sind die Wahlärzte und dahinter natürlich die Ärztekammer als deren Vertreter und Verhinderer.

Die Entwicklung war absehbar. Vom Obmann der Gesundheitskasse, Andreas Huss, der Arbeiterkammer bis zur Gewerkschaft wird dieses Feld seit Jahren aufbereitet. Jüngst finden sie Unterstützung durch Burgenlands Landeshauptmann, Hans Peter Doskozil, und Gesundheitsminister Johannes Rauch. Gibt Doskozil das Ziel der Entmachtung der Ärztekammer unumwunden als Ziel der roten Gesundheitspolitik aus, so agiert Rauch etwas verklausulierter, indem er öffentlich sagt, dass die Zeit der Vetos vorbei sei und nicht mehr zeitgemäß ist. Aber was ist die Alternative zum demokratiepolitischen Grundrecht der Mitsprache auch für die Ärzteschaft in diesem System? Eine Gesundheitsdiktatur, die über die Gruppe der Ärzte gehörig drüberfährt, wobei es dann einerlei ist, ob Wahl- oder Kassenarzt.

Die Träger der Gesundheitsversorgung im extramuralen Bereich werden zu Befehlsempfängern der rot-grünen Gesundheitspolitik. Sind die Kassenärzte zu einem gewissen Grad für die Politik steuerbar, so scheren die Wahlärzte da völlig aus und sind für die Politik nur schwer fassbar, da sie frei ordinieren können – sie sind somit Feindbild Nummer eins.

Sind bisher Reformen im Gesundheitssystem an starken Playern wie den Ländern und Kassen zerbröselt, versucht man jetzt die schwächste Gruppe, die Ärzte, beginnend bei den Wahlärzten zu zertrümmern. Übersehen wird dabei der Arbeitsvertrag der Spitalsärzte der roten Gemeinde Wien. Sieht dieser doch eine Arbeitszeit nur bis 13 Uhr vor und einen Nachtdienst pro Woche, um auf eine 40-Stunden-Woche zu kommen. Dies, um ärztliche Personalkosten zu sparen. Den Spitalsärzten ist gestattet, nach 13 Uhr in ihren Ordinationen zu arbeiten, was ein Gutteil der Ärzte dann als Wahlarzt tut. Einen Kassenvertrag neben der Arbeit im Krankenhaus zu bedienen wird sich nicht ausgehen. Diese Ärzte können ihr Spezialwissen zum Wohle der Patienten so auch im extramuralen Bereich anbieten.

Anleitung aus der Wirtschaft?

Die Frage, die nicht gestellt wird: ob die Kassenverträge überhaupt noch eine moderne Schulmedizin abbilden, die auch zum Beispiel die persönliche Zuwendung des Arztes zum Patienten honoriert. Bezahlt wird eine großteils schlecht dotierte Kassenmedizin, in der ausreichend viel Zeit für den Patienten nicht honoriert wird. Auch wenn es von den Gesundheitskassen immer wieder mantraartig wiederholt wird, dass dies nicht der Fall ist, stellt sich die Frage nach einer gerechten zeitgemäßen Entlohnung der ärztlichen Leistung.

Sollte man sich beim Ärztemangel nicht auch Anleitung aus der Wirtschaft holen? Dort scheint ja das Modell Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich das Fachkräfteproblem zu lösen und findet große Zustimmung bei der Gewerkschaft. Oder wie wäre es mit zwei Tagen zu je zehn Stunden Dienst am Wochenende und die restliche Woche frei bei gleichem Lohn, wie es eine Firma in Salzburg vormacht?

Kommt es zu einer Verstaatlichung der Medizin des freien ärztlichen Standes im niedergelassenen Bereich, wird man auch darüber reden müssen. Dann wird es statt der Ärztekammer eben eine starke Ärztegewerkschaft geben müssen.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2023)

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