Gastkommentar

Wieder eine Chance für die Liberalen

(c) Peter Kufner
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30 Jahre LIF. Mit dem LIF schloss sich eine Lücke im Parteienspektrum, die heute die Neos füllen. Doch die offene Gesellschaft bleibt bedroht.

Der Autor:

Alexander Zach (*1976) ist Unternehmer und war von 2001–2008 Bundesvorsitzender des Liberalen Forums und liberaler Abgeordneter im Nationalrat.

Dieses Jahr ist für Liberale in zweierlei Hinsicht ein Grund, Rückschau zu halten: Einerseits jährt sich die bürgerlich-demokratische Revolution von 1848 zum 175. Mal, zum anderen feiert der eigenständig parteilich organisierte Liberalismus in Österreich, welcher 1993 mit der Gründung des Liberalen Forums begann und mit dem Aufgehen in den Neos bis heute Bestand hat, sein durchgehendes dreißigjähriges Bestehen. Ersteres wird wohl „Die Presse“ noch ausführlich gesondert behandeln, zumal es auch zugleich das Jubiläum ihres eigenen publizistischen Wirkens ist. Ich möchte mich daher in diesem Gastbeitrag auf Zweiteres beschränken, da es auch zum Teil die Zeit meines aktiven politischen Engagements betrifft.

Am 4. Februar 1993 gründeten bekanntlich fünf bis dahin der FPÖ zugehörige Abgeordnete unter der Führung der Dritten Nationalratspräsidentin Heide Schmidt einen eigenen Klub im Parlament und in der Folge auch die Partei Liberales Forum, kurz LIF genannt, und schlossen damit eine Lücke im österreichischen Parteienspektrum. Erstmals gab es eine dem ganzheitlichen Liberalismus verpflichtete Partei, für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Freiheit immer zwei Seiten derselben Medaille waren.

Die Freiheit des Einzelnen

Während in anderen europäischen Ländern eigenständige liberale Parteien lange Tradition hatten und auch staatstragende Rollen einnahmen, mussten sich die Liberalen in Österreich erst mühsam ihren Platz erkämpfen. Das programmatische Selbstverständnis des LIF war es von Beginn an, die Freiheit der und des Einzelnen konsequent in den Mittelpunkt zu stellen, ganz gleich, ob es Fragen des Zusammenlebens untereinander oder das Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Bürgerinnen und Bürgern betraf. Der Beginn der 1990er-Jahre in Österreich war die Zeit der noch wirklich „Großen Koalition“ aus SPÖ und ÖVP mit Verfassungsmehrheit im Parlament, einer rechtspopulistischen Haider-FPÖ auf dem Weg zu nie zuvor erreichten Wahlerfolgen und den Grünen, die damals noch gegen den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union votierten.

Das bedeutete aber für die Liberalen, sich von Anfang an mit den bestehenden Machtstrukturen in heftigen Widerspruch begeben zu müssen, sich dabei aber zugleich in Stil, Inhalt und Methode von den anderen Oppositionsparteien deutlich abzugrenzen.

So fiel den Liberalen bald die Rolle des politischen Innovators und Tabubrechers zu, ganz im Sinn einer aufklärerischen Kraft, die neue Impulse setzt und zugleich den Menschen reinen Wein einschenkt, auch wenn einem der Wind dabei hart entgegenbläst und man schon gar nicht die Mehrheitsmeinung hinter sich hat. Am besten lässt sich das an konkreten Politikfeldern nachvollziehen.
• Der Einsatz für Grund- und Freiheitsrechte wurde von Liberalen auch dann immer konsequent verfolgt, wenn der Boulevard nach härteren Strafen schrie oder der gerade im Amt befindliche Innenminister als scheinbares Patentrezept schärfere Gesetze propagierte. Ich selbst kam über eine Bürgerinitiative zum LIF, die sich 1995 gegen die Einführung von Lauschangriff- und Rasterfahndung einsetzte. Seit damals gab es mehrfach Versuche der jeweiligen Regierungen, scheinbare Sicherheit zum Preis von weniger Freiheit zu erlangen, wie beispielsweise mit der verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung oder später der Präventivhaft – gegen Letztere hatten die Neos zuletzt als Einzige klar Position bezogen.
• Eine aktive Teilnahme Österreichs an einer eigenen Europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik wurde bereits 1993 vom LIF als erstrebenswertes Ziel vorgegeben. Die Liberalen sind bis heute die Einzigen, die unsere Bündnisfreiheit in Form der immerwährenden Neutralität als „Trittbrettfahrer-Mentalität“ kritisieren und gerade in einer Zeit, in der in Europa wieder Krieg herrscht, ein stärkeres Engagement zur gemeinsamen Friedenssicherung aktueller ist denn je zuvor.
• Die Forderung nach Beschränkung des Parteieneinflusses in der Wirtschaft und der Abschaffung der Zwangsmitgliedschaften in den Kammern war von Beginn an eine heftige Konfliktlinie mit SPÖ und ÖVP. Als diese den Kammerstaat schließlich 2007 in den Verfassungsrang hoben, waren es die Liberalen, die dagegen mobilisierten. Und auch jetzt zeigen die Neos immer wieder auf, dass Parteien- und Kammerprivilegien im Widerspruch zu einer offenen Gesellschaft und einer dem Wettbewerb verpflichteten Marktwirtschaft stehen.
• Die unternehmerische Freiheit ist aus Sicht der Liberalen bis heute an zahlreiche Fesseln gekettet, eine strukturkonservierende Gewerbeordnung und einschränkende Ladenöffnungszeiten sind Beispiele dafür. Eine Dreifaltigkeit aus Kammer, Gewerkschaft und Kirche sperrt sich dagegen Gewerbetreibenden zu ermöglichen, das eigene Geschäft dann aufzumachen, wann diese es für richtig halten, während Internetshopping jederzeit von überall aus möglich ist. Erfolge konnten die Neos erst kürzlich als Regierungspartei in Wien mit der Sonntagsöffnung für Gastronomie auf den Wiener Märkten erreichen.
• Als „tabubrechend“ wurde in den 1990er-Jahren das Eintreten der Liberalen für die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter und insbesondere der homosexuellen Lebensgemeinschaften empfunden. Auch hier war die liberale Position von Anbeginn kompromisslos, auch wenn das konservative Österreich versuchte, die Liberalen in einem oft untergriffigen Stil zu diskreditieren. Rückblickend gesehen war es eine wichtige gesellschaftspolitische Pionierarbeit, die schließlich zu entsprechenden Gesetzesänderungen geführt hat.

Feinde des Liberalismus

Aber gerade die offene Gesellschaft ist und bleibt bedroht, und es ist Aufgabe von uns Liberalen, die Feinde des Liberalismus zu erkennen und zu benennen – wie es auch Francis Fukuyama in seinem aktuellen Buch eindrücklich analysiert –, ganz gleich, ob sie von rechts oder links kommen mögen. Das Erstarken von autoritären, illiberalen Strömungen oder die Forderungen nach Einschränkungen des Diskurses, weil manche Gruppeninteressen höher zu bewerten seien als die Freiheitsrechte des Individuums, führen zu einer immer stärkeren Polarisierung in unserer Gesellschaft.

Die Frage nach der Zukunft der Freiheit, nach den Chancen des Liberalismus, wie sie auch schon der große deutsche Liberale Karl-Hermann Flach in seiner bekannten Streitschrift in den 1970er-Jahren stellte – ein Zitat von ihm eröffnet auch das LIF-Programm von 1993 – bleibt weiterhin aufrecht.

Der Umstand, dass sich in den vergangenen 30 Jahren eine Vielzahl von Menschen auch in Österreich dieser Frage angenommen hat und mit den Neos heute eine liberale Partei fester Bestandteil im Nationalrat, im Europäischen Parlament, in fast allen Landtagen und in zahlreichen Gemeinderäten ist, gibt ausreichend Grund zur Hoffnung, dass es auch in Zukunft darauf kluge Antworten geben wird.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2023)

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