Pizzicato

Scholzing

In Lateinamerika erlebten die Staatschefs der ABC-Staaten Argentinien, Brasilien und Chile neulich die zwei Gesichter des Olaf Scholz.

„Ihr habt gefehlt, lieber Lula“, sagte der deutsche Kanzler in ungewohnter, geradezu südamerikanischer Empathie. Woraufhin Brasiliens Präsident während der Pressekonferenz mit ein paar Schritten die physische Distanz am Podium überwand, um ihn an die breite Brust zu drücken. Ein Moment des großen Gefühlskinos in Brasilia, der Stadt im Cinemascope-Format des deutschstämmigen Architektur-Visionärs Oscar Niemeyer.

Die Deutschen werden indes oft nicht schlau aus dem spröden Regierungschef aus Hamburg mit dem verschmitzten Grinsen, weshalb die „FAZ“ kürzlich ein Scholz-Glossar abdruckte. Ein Mann der leisen Töne, der zuweilen auf den Tisch haut. Ein „Scholzomat“ der vorgestanzten Worthülsen, bis er die „Bazooka“ auspackt und zum „Wumms“, gar zum „Doppel-Wumms“ ausholt. „Wer Führung bestellt, bekommt sie auch.“ In Anlehnung an das „Merkeling“, den monotonen Wortbrei seiner Vorgängerin, bezeichnete der britische Historiker Timothy Garton Ash die Rhetorik als „Scholzing“.

Als Lula in Anspielung auf das traumatische 1:7-Debakel bei der Fußball-Heim-WM 2014 künftig ein diplomatisches Remis zwischen beiden Ländern einmahnte, war sein Gast baff. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2023)

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