"Überwachungsballon"

Ballon-Affäre belastet Beziehungen zwischen USA und China schwer

Der Ballon am Himmel über Montana - für die USA ist es ein "Überwachungsballon", für China ein "Forschungsballon". Die ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen Peking und Washington sind noch angespannter als zuvor.
Der Ballon am Himmel über Montana - für die USA ist es ein "Überwachungsballon", für China ein "Forschungsballon". Die ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen Peking und Washington sind noch angespannter als zuvor.(c) Reuters, Chase Doak
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Die USA nennen das Auftauchen eines "Überwachungsballons" in ihrem Luftraum "inakzeptabel“ und meldet die Sichtung eines zweiten Ballons – diesmal über Lateinamerika.

US-Außenminister Antony Blinken nannte das Eindringen des "Überwachungsballons" in den Luftraum der USA "inakzeptabel" und "unverantwortlich". China wiederum wies die Vorwürfe am Samstag entschieden zurück, sprach von einem Forschungsballon, der durch "höhere Gewalt" vom Kurs abgekommen sei.

"Wir akzeptieren keine grundlosen Spekulationen und Stimmungsmache", zitierte das Pekinger Außenamt am Samstag den obersten Außenpolitiker Wang Yi aus seinem Telefongespräch am Vortag mit Blinken. Der US-Außenminister hat seinen für Sonntag erwarteten Besuch in Peking abgesagt. Es wäre der erste Besuch eines US-Außenministers in China seit 2018 gewesen. Auch hatte Blinken nach Medienberichten von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping empfangen werden sollen.

Zwar waren die Erwartungen an den Besuch nicht groß, doch gab es Hoffnungen, dass er zu einer Beruhigung in den turbulenten und schwierigen Beziehungen führt. Blinken unterstrich, dass die USA die Kommunikationskanäle zu Peking offenhalten wollten und der Besuch bald nachgeholt werden solle, "wenn die Bedingungen es erlauben". Die Welt erwarte, dass die USA und China ihre Beziehungen verantwortungsvoll handhabten, sagte Blinken in Washington.

Spionageballon über Lateinamerika?

Unterdessen schwebt nach US-Angaben ein weiterer möglicher Spionageballon über Lateinamerika. "Wir sehen Berichte über einen Ballon, der Lateinamerika überfliegt. Wir sind dabei herauszufinden, ob es sich dabei um einen weiteren chinesischen Überwachungsballon handelt", sagte Pentagonsprecher Pat Ryder in Washington. Diverse Berichte wiesen auf die Großregion Kolumbien/Venezuela/Panama/Costa Rica hin. Aus Peking gab es zunächst keine Angaben zu diesem Ballon.

Ein chinesischer Außenamtssprecher bekräftigte, der Ballon über den USA sei "für meteorologische und andere wissenschaftliche Forschung" benutzt worden. "Durch die Westwinddrift und wegen begrenzter Steuerungsmöglichkeiten ist das Luftschiff weit von der geplanten Route abgekommen." Nachdem der Vorfall am Vortag in ungewohnt defensiver Weise "bedauert" worden war, ging der Sprecher wieder in die Offensive: "Einige Politiker und Medien in den USA haben die Situation ausgenutzt, um China anzugreifen und in Verruf zu bringen."

„Wir wissen, dass das ein Überwachungsballon ist"

Das Pentagon ließ das nicht gelten. "Wir wissen, dass es ein Überwachungsballon ist", sagte Ryder. Das Verteidigungsministerium hatte am Donnerstagabend die Sichtung des ersten Ballons publik gemacht. Der Ballon wurde über dem US-Bundesstaat Montana, über Mittelamerika und auch Missouri gesichtet. Er soll noch ein paar Tage im US-Luftraum fliegen. Das Flugobjekt sei sehr wohl manövrierfähig, widersprach der Pentagonsprecher der chinesischen Darstellung.

Solche Ballons gelten als wichtige Beobachtungsplattformen. Anders als Satelliten können sie an einer Stelle bleiben, müssen nicht eine neue Runde um die Erde drehen, um weitere Bilder zu machen, wie Experten schilderten. Sie könnten aus größerer Nähe beobachten, seien für Radar schwer zu entdecken. Auch könnten sie Kommunikation abfangen. Die Navigationsmöglichkeiten seien heute deutlich verbessert, so dass sie nicht mehr allein vom Wind abhingen.

Für Aufregung in den USA sorgte vor allem, dass der Ballon nahe einer  US-Luftwaffenbasis in Montana geflogen ist, wo mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen Typ Minuteman III verbunkert sind. Montana, Missouri und einige andere Staaten dieser US-Region sind generell Standorte von Atomraketen und strategischen Bombern. Unklar war allerdings, warum China direkt vor dem mit Spannung erwarteten Besuch von Blinken in Peking eine solche Provokation unternehmen würde. Beide Seiten hatten ihr starkes Interesse an der Visite bekundet und die Rhetorik spürbar zurückgedreht.

Härtere Gangart gegenüber China gefordert

Die Ankündigung des Besuchs war das vielleicht einzig greifbare Ergebnis des Gipfeltreffens zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Rande des Gipfels der großen Wirtschaftsmächte (G20) im November auf der indonesischen Insel Bali. Die Ballon-Affäre überschattet jetzt aber auch die Vorbereitungen für den Auftritt von Biden am Dienstag im Kongress, wo er seine jährliche Rede zur Lage der Nation halten wird.

Die Regierung unter Joe Biden gerät zunehmend unter Druck. Es gab auch Forderungen, den Ballon abzuschießen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, der Republikaner Michael McCaul, sagte, der Ballon hätte niemals in den US-Luftraum eindringen dürfen. Ex-Präsident Donald Trump forderte: "Schießt den Ballon ab." Das Pentagon erteilte dem aber vorerst eine Absage. Die herabfallenden Trümmer könnten eine Gefahr für Menschen am Boden darstellen.

Die US-Republikaner forderten eine noch härtere Gangart gegenüber China. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, mahnte, Biden dürfe zu der "dreisten Missachtung der US-Souveränität" nicht schweigen. Ex-Pentagon-Chef Mark Esper, der unter Trump im Amt war, sprach im TV-Sender CNN von einer "dreisten Aktion". "Die Chinesen spionieren uns schon seit Jahrzehnten aus." Die USA müssten klarmachen, dass sie sich das nicht gefallen ließen.

Das Verhältnis der beiden Rivalen ist äußerst angespannt. China wirft den USA vor, seinen Aufstieg eindämmen zu wollen und einen neuen Kalten Krieg zu verfolgen. Für Streit sorgen Chinas Rückendeckung für Russlands Krieg in der Ukraine, Ansprüche Pekings im Südchinesischen Meer, der Handelskrieg, US-Exportkontrollen für Hochtechnologie sowie die Drohungen gegenüber dem demokratischen Taiwan, das Peking als Teil der Volksrepublik ansieht. Ein hoher US-General hielt jüngst einen Krieg mit China um Taiwan schon 2025 für möglich.

(APA/dpa)

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