Glaubensfrage

Ist Zufall eine theologische Kategorie?

Am Sonntag fallen wichtige Ereignisse zusammen, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Es endet: die Afrika-Reise des Papstes. Es beginnt: der Europa-Teil der Weltsynode.

Klimaneutral sei er geflogen. Das verlautet aus dem Vatikan zur fast einwöchigen Afrika-Reise des Papstes in die Demokratische Republik Kongo und den Südsudan, die am Sonntag endet. Klimaneutral?

Wie legt jemand 12.600 Kilometer von Rom nach Kinshasa, dann nach Juba und retour klimaneutral zurück? Muss man dafür wundergläubig sein? Ein neuer Airbus 350 war im Einsatz, der ein Viertel weniger CO2 ausstößt als das Vorgängermodell, wird erklärt. Und 0,5 Prozent (!) des Treibstoffs kommt aus nicht fossilen Rohstoffen. Die übrigen Emissionen des also (überschlagsmäßig berechnet) zu 99,5 Prozent fossilen Treibstoffs sollen durch ein zertifiziertes Klimaschutzprogramm ausgeglichen werden, wie es heißt. Nun gut, wir glauben daran.

Heute muss sich auch der Papst rechtfertigen, dass er nicht samt Rollstuhl per Boot nach Afrika übergesetzt ist und danach tagelang per Bahn, Bus, Jeep oder Kamel(?) in Richtung Süden auf dem Kontinent unterwegs war. Ist das jetzt gut oder schlecht? Zugegeben: Im Zweifel ist es schlecht, sehr schlecht, sich gar keine Gedanken über die Wahl von Verkehrsmitteln oder Reisezielen zu machen. Wenigstens bei der Bedachtnahme von Auswirkungen auf das Klima/die Schöpfung und bei der Achtsamkeit gegenüber Sensibilitäten der Öffentlichkeit geht die katholische Kirche mit der Zeit.

Vor Millionen enthusiasmierten Menschen bei Mega-Messen hat Franziskus in der abgelaufenen Woche Ausbeutung von Menschen wie Umwelt gleichermaßen angeprangert. Eine päpstliche Strafpredigt setzte es für reiche Staaten wegen „wirtschaftlichen Kolonialismus“ und für lokale Eliten wegen Korruption und Intransparenz.

Völlig anderen Themen widmet sich fernab auf einem reichen Kontinent eine fünftägige Versammlung, die am Sonntag beginnt, während der Papst aus Afrika aufbricht. Deren Teilnehmer jubeln nicht dem Papst zu, sondern beraten bis 9. Februar bei der ersten der sogenannten Kontinentalversammlungen im Rahmen des vom Papst ausgerufenen synodalen Prozesses. Da wiederum stehen in Prag nicht vermeintliche oder tatsächliche Schwächen der Marktwirtschaft auf der Agenda, sondern ganz und gar innerkirchliche Themen. Die aber wiederum – naturgemäß – auch nach außen Wirkung entfalten. Muss man sie nennen?

600 Laien und Kleriker diskutieren über den Erneuerungsprozess der Kirche. Erwartungshaltung: hoch, viel zu hoch. Daran anschließend tagen noch exklusiv die Vorsitzenden der 39 Bischofskonferenzen Europas, was schon zu Kritik von Reformgruppen geführt hat, vor allem aus Deutschland – klar. So gänzlich ohne Hierarchie ist die katholische Kirche aber dann auch wieder schwer vorstellbar.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2023)

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