Luftraum gesperrt

USA schießen mutmaßlichen Spionageballon aus China ab

Die USA haben nach eigenen Angaben den mutmaßlichen Spionageballon nun doch abgeschossen. Er bewegte sich seit Tagen über dem US-Festland - und über sensiblen Militärstandorten.
Die USA haben nach eigenen Angaben den mutmaßlichen Spionageballon nun doch abgeschossen. Er bewegte sich seit Tagen über dem US-Festland - und über sensiblen Militärstandorten.REUTERS
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US-Präsident Joe Biden hat grünes Licht für den Abschuss des mutmaßlichen chinesischen Spionageballons über dem Atlantik gegeben. Peking wirft Washington „Überreaktion“ vor.

Die USA haben nach eigenen Angaben einen Spionageballon Chinas am Samstag vor ihrer Küste abgeschossen. Präsident Joe Biden habe den Abschuss durch das Militär gebilligt, erklärten Regierungsvertreter. Verteidigungsminister Lloyd Austin teilte mit, die Luftwaffe habe den Ballon vor der Atlantikküste von South Carolina zum Absturz gebracht. Die USA bezichtigten China der Spionage mit dem Ballon. Peking protestierte am Sonntag gegen die "offensichtliche Überreaktion".

Austin beschuldigte China, es habe den Ballon zur versuchten Überwachung strategischer Einrichtungen auf dem US-Festland eingesetzt. Ein hochrangiger Vertreter des US-Verteidigungsministeriums erklärte, der Ballon sei Teil einer ganzen Flotte, die China über fünf Kontinenten zur Spionage einsetze, auch in Europa. Kolumbien informierte unterdessen über das Eindringen eines Objekts mit "ähnlichen Eigenschaften wie ein Ballon" in seinem Luftraum.

US-Präsident Joe Biden gratulierte dem Militär. Der Abschuss sei "erfolgreich" verlaufen, sagte er in Maryland. Er habe das Pentagon am Mittwoch angewiesen, den Ballon so schnell wie möglich abzuschießen, sobald dies ohne Gefahr für das Leben von US-Bürgern geschehen könne.

Daher sei entschieden worden, das Flugobjekt erst über dem Meer, aber innerhalb des US-Hoheitsgebiets abzuschießen. Ein Abschuss über Land wäre aufgrund der Größe und Höhe des Ballons und seiner Last zu gefährlich gewesen, teilte Verteidigungsminister Austin mit. Er sprach von einer "inakzeptablen Verletzung" der Souveränität der USA. Mehrere Republikaner, darunter der frühere US-Präsident Donald Trump, hatten gefordert, den Ballon abzuschießen.

China betont „zivile Zwecke“ des Ballons

Die chinesische Regierung äußerte ihre "starke Unzufriedenheit" über den Einsatz von Gewalt durch die USA gegen ein "ziviles, unbemanntes Luftschiff". Es sei eine "ernste Verletzung" internationaler Praktiken. China behalte sich das Recht auf "notwendige Reaktionen" vor, sagte ein Außenamtssprecher in Peking. China habe die USA wiederholt informiert, dass der Ballon zivilen Zwecken diene und "durch höhere Gewalt" über die USA geflogen sei, "was völlig zufällig war". Das Pentagon habe selbst gesagt, der Ballon stelle keine Gefahr für das Militär und Menschen am Boden dar.

"Das heutige überlegte und rechtmäßige Vorgehen zeigt, dass Präsident Biden und sein nationales Sicherheitsteam die Sicherheit des amerikanischen Volkes immer an die erste Stelle setzen und gleichzeitig wirksam auf die unannehmbare Verletzung unserer Souveränität durch die Volksrepublik China reagieren", erklärte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin.

Trümmer werden geräumt

Ein hoher Vertreter des Pentagons sagte nach dem Abschuss, dass die Bergung des Ballons nun in vollem Gange sei. "Wie lange es dauern wird, steht noch nicht fest." Die Trümmer befänden sich in relativ flachem Wasser, was die Bergung "ziemlich einfach" machen würde. Der Ballon sei schon seit einiger Zeit beobachtet und verfolgt worden. Er sei bereits am 28. Jänner über Alaska aufgetaucht, am 30. Jänner über Kanada und am 31. Jänner über dem US-Bundesstaat Idaho.

Während seines Überflugs hätten die USA unmittelbar Schritte unternommen, um die Sammlung sensibler Informationen durch den Ballon zu verhindern und dessen nachrichtendienstlichen Wert für China zu verringern, hieß es weiter. Der Ballon habe zu keiner Zeit eine Gefahr für die zivile Luftfahrt in den USA dargestellt. Von der Bergung der Geräte an Bord erhoffen sich die USA nähere Informationen über die Mission. Den nachrichtendienstlichen Schaden schätze man als eher gering ein, hieß es.

Luftraum gesperrt

Der Ballon entspräche der Größe von drei Bussen, hieß es. Auf Bildern und Videos in Fernsehen und den sozialen Medien war zu sehen, wie er abgeschossen wurde.

Im Vorfeld hatten US-Behörden drei Flughäfen im Osten des Landes vorübergehend geschlossen. "Um das Verteidigungsministerium bei einer nationalen Sicherheitsmaßnahme zu unterstützen", seien die An- und Abflüge an drei Flughäfen in den Bundesstaaten South und North Carolina unterbrochen worden, teilte die Luftfahrtbehörde am Samstag mit. Die Küstenwache wies Schiffe an, die Gegend umgehend zu verlassen. Als Grund wurden US-Militäroperationen genannt, "die eine bedeutende Gefahr darstellen".

„Ziel des Ballons ist ganz klar Spionage"

Der Überflug des Ballons war am Donnerstag publik geworden. "Ziel des Ballons ist ganz klar Spionage und sein aktueller Weg führt ihn über sensible Stützpunkte", sagte ein Pentagon-Vertreter. In der Region befinden sich unter anderem Luftwaffen-Stützpunkte und unterirdische Atomraketen-Standorte.

Die Ballon-Causa hatte den Bemühungen um bessere Beziehungen der beiden Großmächte einen Dämpfer versetzt. Eine Reise von US-Außenminister Antony Blinken nach China wurde verschoben, wie das US-Präsidialamt mitgeteilt hatte. Das Pekinger Außenministerium hatte erklärt, es handle sich um einen zivilen Forschungsballon. China bedaure, dass er in den US-Luftraum abgetrieben sei.

Zweiter Ballon über Kolumbien?

Unterdessen informierte auch Kolumbien über ein unbekanntes Objekt, das in seinen Luftraum eingedrungen sei und "ähnliche Eigenschaften wie ein Ballon" aufgewiesen habe. Am Morgen des 3. Februar habe das nationale Luftverteidigungssystem in rund 17.000 Metern Höhe ein Objekt über dem nördlichen Sektor des Landes entdeckt, teilte die kolumbianische Luftwaffe am Samstag (Ortszeit) mit. Es habe "keine Gefahr für die nationale Sicherheit" dargestellt. Die Luftwaffe arbeite nun mit anderen Ländern zusammen, um die Herkunft des Objekts festzustellen. Pentagon-Sprecher Pat Ryder hatte am Freitag in Washington gesagt, dass ein weiterer möglicher Spionageballon über Lateinamerika schwebe. Aus Peking gab es zunächst keine Angaben zu dem zweiten Ballon.

(ag./red.)

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