Berichte über Begnadigung von Zehntausenden Gefangenen im Iran

Tausende Demonstranten, die in den letzten Monaten festgenommen wurden, könnten nun frei gelassen werden. Das Foto zeigt Proteste im Oktober.
Tausende Demonstranten, die in den letzten Monaten festgenommen wurden, könnten nun frei gelassen werden. Das Foto zeigt Proteste im Oktober.APA/AFP/UGC
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Iranische Medien berichten von einer großen Amnestie anlässlich des anstehenden Nationalfeiertags im Iran. Zehntausende verhaftete Demonstranten der anhaltenden Proteste könnten nun wieder freikommen.

Der Iran hat anlässlich seines nahenden Nationalfeiertages eine Amnestie angekündigt, die auch für Menschen gelten soll, die im Zuge der anhaltenden Proteste festgenommen worden waren. Der oberste geistliche Führer Ayatollah Ali Khamenei habe "der Begnadigung und Strafmilderung einer großen Zahl von Beschuldigten zugestimmt, die im Zusammenhang mit jüngsten Vorfällen angeklagt oder in anderen Fällen verurteilt wurden", hieß es auf einer Erklärung auf Khameneis Webseite.

Ausgeschlossen davon sind demnach Menschen, die wegen Spionage, Kontakten zu ausländischen Geheimdiensten, Mordes und Vandalismus angeklagt wurden. Wie viele Inhaftierte von der Amnestie profitieren könnten, wurde nicht mitgeteilt. Medienberichten zufolge könnten es "Zehntausende" sein.

Freilassung nur mit „schriftlicher Verpflichtung“

Die Justizbehörde verkündete ihrerseits auf ihrer Webseite "Misan Online", dass im Zusammenhang mit der Protestbewegung Festgenommene nur dann freigelassen würden, wenn sie eine "Reue-Erklärung und eine schriftliche Verpflichtung" unterzeichneten, "ein ähnliches vorsätzliches Verbrechen nicht zu wiederholen".

Wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an den seit Monaten anhaltenden Protesten im Iran wurden seit deren Beginn tausende Menschen festgenommen. Die Proteste waren vom Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini im September nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei ausgelöst worden.

Wieder Journalisten verhaftet und verurteilt

Örtlichen Medienberichten zufolge wurde unterdessen erneut eine Journalistin festgenommen, ein weiterer Journalist wurde demnach zu einer Haftstrafe verurteilt. Wie die reformorientierte Zeitung "Shargh" auf ihrer Webseite berichtete, handelt es sich bei der Journalistin um die Ressortchefin der ebenfalls reformorientierten Tageszeitung "Hammihan", Elnas Mohammadi. Sie wurde "Shargh" zufolge am Sonntag bei einer Vernehmung in Teheran festgenommen. Warum, war zunächst unklar.

Ihre Schwester Elaheh Mohammadi war bereits im November der "Propaganda gegen das System" und der "Verschwörung gegen die nationale Sicherheit" beschuldigt worden, weil sie über Mahsa Aminis Beerdigung berichtet hatte.

Nach Angaben des Teheraner Journalistenverbandes sind derzeit 30 Journalisten im Zusammenhang mit den Protesten im Gefängnis.

Nach einer auf offiziellen Angaben basierenden Zählung der Nachrichtenagentur AFP hat die Justiz im Zusammenhang mit den Protesten bisher 18 Menschen zum Tode verurteilt. Vier Todesurteile wurden bereits vollstreckt, was international Empörung ausgelöst hatte.

Ex-Regierungschef fordert "grundlegenden Wandel"

Einer der wichtigsten Reformpolitiker im Iran, der frühere Regierungschef Mir Hossein Moussavi, forderte angesichts der seit Monaten anhaltenden Proteste gegen die Führung in Teheran einen "grundlegenden Wandel" in dem Land. "Der Iran und die Iraner brauchen und sind bereit für einen grundlegenden Wandel", schrieb der 80-jährige in einer auf seiner Webseite veröffentlichten und von örtlichen Medien verbreiteten Erklärung.

Die Grundzüge eines solchen Wandels seien bereits von der "Bewegung Frauen-Leben-Freiheit" vorgezeichnet, erklärte Moussavi mit Blick auf den wichtigsten Slogan der Demonstranten, deren Proteste seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei seit Mitte September das Land erschüttern.

Moussavis Einschätzung nach liegen den Protesten "miteinander verbundene Krisen" zugrunde. Dabei handle es sich um "Krisen der Wirtschaft, Umwelt, Gesellschaft, Legitimität, Kultur und Medien". Die derzeitige "Struktur" des Systems hält der bekannte Reformer für "unhaltbar" und schlägt daher ein "freies und faires Referendum" zu einer möglichen neuen Verfassung vor.

Wie bei der "Volksrevolution von 1979" hätten die Menschen "ein Recht auf grundlegende Überarbeitungen, um (...) den Weg für Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie und Entwicklung" des Iran zu ebnen, erklärte Moussavi.

"Was heute offensichtlich ist, ist eine weit verbreitete Unzufriedenheit", erklärte am Sonntag schließlich der iranische Ex-Präsident Mohammad Khatami, der Anführer der Reformbewegung im Iran. Er hoffe, dass der Gebrauch von "gewaltfreien zivilen Methoden" die Staatsführung "zwingen" könne, "ihre Herangehensweise zu ändern und Reformen zu akzeptieren". Khatami war von 1997 bis 2005 Staatschef des Landes - bevor er zum Schweigen gezwungen wurde.

Moussavi war bei der Präsidentschaftswahl 2009 gegen den erzkonservativen Mahmoud Ahmadinejad angetreten und hatte nach dessen Wiederwahl massiven Wahlbetrug angeprangert. Seit zwölf Jahren steht er gemeinsam mit seiner Ehefrau unter Hausarrest - ohne jemals angeklagt worden zu sein. Der heute 80-Jährige gehörte seinerzeit zu den engsten Vertrauten des Republikgründers Ayatollah Ruhollah Khomeini. Von 1981 bis 1989 amtierte er als Regierungschef.

(apa)

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