Klimapolitik

Klima: Schlüsselrolle für Länder und Gemeinden

(c) Christoph Wisser
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Im Kampf gegen Treibhausgase haben Länder und Gemeinden viele Möglichkeiten, die bisher wenig genutzt werden. Wissenschaftler berichten, was nötig ist.

„Was wird für den Klimaschutz getan, was unterlassen und woran scheitern wir in den Ländern und Gemeinden?“ – Die Frage stellen „scientists4Future“ und der Verein „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“ und versuchen, Antworten darauf in einer Pressekonferenz zu finden. Kurz gefasst: Es gibt mehr Möglichkeiten als hinlänglich bekannt, vor allem in den Bereichen Verkehr, Raumplanung, Energie und Bewusstseinsbildung.

Die ausstehenden Maßnahmen auf bundespolitischer Ebene sind oft genannt, das innerkoalitionäre Tauziehen um Verbindlichkeit und Konkretheit des Klimaschutzgesetzes ist gewissermaßen stellvertretend für die derzeitige Patt-Stellung der Klimapolitik auf Bundesebene. „Aber auch auf der landespolitischen und kommunalen Ebene gibt es viele Hebel, mit denen Wesentliches und Klimawirksames erreicht werden kann,“ sagt Sofia Palzer-Khomenko, Sprecherin der Scientist4Future.

Birgit Hollhaus, Forscherin am Institut für Recht und Governance an der Wirtschaftuni Wien, knüpft in diesem Zusammenhang an den Klimarat an. Diese Gruppierung von anfangs 100 Leuten, die repräsentativ aus der österreichischen Bevölkerung ausgewählt worden sind, um Handlungsmöglichkeit der Klimapolitik zu definieren, habe, so Hollhaus, sehr viele Aktivitäten auf Gemeinde- und Landesebene empfohlen. Man könne auch sagen, „dass es die Erwartungshaltung der Menschen ist, dass hier die Gemeinden aktiv werden. Die Länder müssen dafür den gesetzlichen Rahmen schaffen.“

Franz Fehr, der an der Universität für Bodenkultur in Wien das Projekt zur Umsetzung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs, die bis 2030 erreicht werden müssen) koordiniert, ist selbst Umweltgemeinderat (für die ÖVP; in Rohrendorf, NÖ) und meint: „Im Verkehrsbereich können auch kleinere Gemeinden aktiv werden. Etwa bei Tempolimits, 30 km/h-Zonen außerhalb von Hauptverbindungen. Es genügt nicht zu appellieren, dass Leute mit dem Rad fahren sollen.“

„Klimaaktivistinnen nicht als Verbrecher stigmatisieren"

Viele trauten sich das nicht, weil die Geschwindigkeitsunterschiede mit dem Pkw-Verkehr zu hoch seien. „Wir müssen weg von der Verzichtsdebatte. Anstatt Klimaaktivistinnen als Verbrecher zu stigmatisieren, sollte die Debatte in Richtung Sicherheit und Reduktion von Umweltbelastungen im Straßenverkehr gehen.“ Es sei zu wenig, Radwege nur für den Tourismus zu erschließen.

Fehr tritt auch dafür ein, dass Bürgermeister bei der Flächenwidmung aus dem Schussfeld der Kritik genommen würden: „In einer Gemeinde geht es auch immer um persönliche Beziehungen“, weshalb Bürgermeister oft auch „überfordert“ seien. Vor diesem Hintergrund plädiert Fehr dafür, dass bei Flächenwidmung das Land eine stärkere Rolle spielen solle.

Fehr steht mit seinem Zugang und seinen inhaltlichen Positionen deutlich anders da als der ÖVP-Klub im Parlament. Darauf angesprochen meint er: „Innerparteilich gibt es da einen intensiven Diskurs. Öffentlich möchte ich den nicht austragen, wir tun das intern.“ Fehr ist einer jener Wissenschaftler, die vor kurzem die Blockadeaktion von „Last Generation“ am Praterstern ausdrücklich unterstützt hat. Die niederösterreichische Landeshauptfrau Hanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat für Straßenblockaden strafrechtliche Sanktionen gefordert.

Reinhard Steurer, Professor am Institit für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik an der Boku Wien, sagt grundsätzlich, dass „Föderalismus nicht geeignet ist, um nationale und globale Probleme zu lösen.“

Er wirft den Ländern vor, teilweise mit „doppelt angezogener Handbremse“ bei der Wärme- und Stromwende unterwegs zu sein. Er kritisiert in diesem Zusammenhanf zum Beispiel, dass die Tochterfirmen von Stromversorgern darüber entscheiden, werd den Zugang zum Stromnetz bekomme. Außerdem kritisiert Steurer, dass bei den Klimabudgets auch beschönigt werde. „In einem Fall in Vorarlberg werden die Kosten für einen Linienbus, den es schon Jahrzehnte gibt, jetzt als Klimabudget ausgewiesen.“

Last but not least kritisiert Ilse Bartosch, Forscherin an der Universität Wien, dass es in Niederösterreich zwar einen Klima- und Energiefahrplan gebe, aber nicht im Detail ausgeführt sei, wer für die konkrete Umsetzung zuständig sei. „Und es fehlt die Verbindlichkeit.“ Bartosch lebt jetzt in Niederösterreich, ist aber Mitglied der SPÖ Wien. Sie hat unter anderem den Antrag gegen den Bau des Lobau-Tunnels vorgetragen – und sich damit gegen die offizielle Parteilinie gestellt.

Bodenschutz: WWF kritisiert

Unterdessen zieht der World Wide Fund for Nature (WWF) nach drei Jahren Bundesregierung eine Zwischenbilanz über ein zentrales Thema in der Umweltpolitik: die Verringerung des Bodenverbrauchs, der derzeit bei mehr als elf Hektar pro Tag liegt. Im Regierungsprogramm wird angekündigt, dass der Bodenverbrauch bis 2030 auf 2,5 Hektar gesenkt werden solle.

Die Zwischenbilanz fällt ernüchternd aus. Bei 23 Subthemen gibt es nur zwei, die laut WWF als positiv zu bewerten seien: die Finanzierung des Biodiversitätsfonds sowie die Förderung und Erweiterung beim Brachflächenrecycling. „Es ist nicht viel weitergegangen“, sagt Simon Pories, Bodenschutz-Sprecher des WWF. Er fordert, dass die Bundesregierung das Steuer- und Fördersystem „grundlegend reformieren muss, um die Treiber des Bodenverbrauchs zu bremsen.“ Die Organisation fordert einen Bodenschutz-Vertrag, der von Bund, Ländern und Gemeinden geschlossen werden müsse.

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