Migrationsforscherin Judith Kohlenberger und EU-Mandatar Othmar Karas sprechen mit der „Presse“ über den kurzfristigen Effekt von Zäunen, Asylverfahren an der Außengrenze und rechtswidrige Vorschläge Österreichs.
Die Presse: Österreichs Kanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner fordern von der EU-Kommission die Finanzierung von Grenzzäunen. Unterstützen Sie die Forderung?
Othmar Karas: Es gibt keine Einzelmaßnahmen, die das Problem lösen. Das Thema Asyl und Migration ist ein europaweites und globales, daher braucht es ein ganzes Paket an Lösungen. Ein gemeinsamer, von der EU finanzierter Außengrenzschutz muss Sicherheit bieten, auch für die Ankommenden. Wir brauchen ein einheitliches EU-Asylverfahren und einen solidarischen Verteilungsmechanismus. Dass das Problem nicht auf einen Zaun reduziert werden kann, zeigt das Beispiel Ungarn. Dort haben wir einen Zaun, trotzdem kommen die meisten Flüchtlinge über Ungarn nach Österreich. Sie wurden in Ungarn nicht registriert und konnten dort auch kein Asylansuchen stellen. Der Zaun in Ungarn hilft Österreich nicht.
Judith Kohlenberger: Empirisch ist belegt, dass Zäune nur kurzfristig dafür sorgen können, dass an einzelnen Stellen keine Übertritte stattfinden. Dann kommt es zu Substitutionseffekten an anderen Stellen. Vor allem bedeutet es, dass der Weg dieser Menschen noch gefährlicher, langwieriger und teurer wird und dass sie noch mehr auf Schlepper zurückgreifen. Bei Zäunen bin ich deshalb skeptisch, ob nachhaltig irreguläre Ankünfte gesenkt werden können.
Ist es realistisch, dass ein gemeinsamer Grenzschutz aufgebaut wird, der finanzierbar und für alle EU-Staaten attraktiv ist?