Gastkommentar

USA-China: Das Hin und Her Pekings

Ein Spionage-Ballon untergräbt die Glaubwürdigkeit des neuen, freundlicheren Zungenschlags aus Peking.

Der Autor:

Dr. Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs in New York. Zuletzt erschien von ihm „Alarmstufe Rot: Wie Chinas aggressive Außenpolitik im Pazifik in einen globalen Krieg führt” (Hoffmann & Campe).

Anthony Blinkens Absage ist ein neuer Tiefpunkt im Verhältnis der Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China. Eigentlich hätte der diplomatische Besuch des US-Außenministers in Peking, den Präsident Joe Biden und Chinas Machthaber Xi Jinping im vergangenen November bei einem Treffen verabredet hatten, den Neustart zwischen beiden Ländern bedeuten sollen. Die Volksrepublik hatte dafür sogar den aggressiven Ton gegenüber den Vereinigten Staaten ein wenig gedämpft und den spitzzüngigen Regierungssprecher, Zhao Lilian, versetzt. Qin Gang löste den ebenfalls ins Lager der Scharfmacher („Wolfskrieger”) gehörenden Wang Yi als Außenminister der Volksrepublik ab. Qin war bis zu seiner Ernennung Botschafter Chinas in Washington und fand in einem Interview vor seinem Weggang schon lange nicht mehr gehörte, freundliche Worte für die Amerikaner.

Doch der Spionage-Ballon, der am Donnerstag über einer militärischen Einrichtung im US-Bundesstaat Montana gesichtet wurde, untergrub die Glaubwürdigkeit des neuen Zungenschlags aus Peking. In China reagierte man verhalten devot und erklärte, es handele sich lediglich um einen Wetterballon, der von seiner Route abgekommen sei. Tatsächlich eignen sich solche Ballons gut für Spionage-Zwecke, da sie anders als Spionage-Satelliten, nicht auf einer vorhersagbaren Bahn zirkulieren und zudem schwer vom Himmel geholt werden können. Washington erwiderte ebenfalls konziliant und sagte, man habe die Erklärung Pekings „zur Kenntnis genommen”. Beide Seiten bemühen sich um Schadenbegrenzung, denn noch besteht der Minimalkonsens zwischen den beiden Kontrahenten, dass ein Kriegsausbruch um jeden Preis zu verhindern sei.

Die Begegnung mit dem US-Außenminister in China wäre übrigens fast auf den Jahrestag eines anderen denkwürdigen Treffens gefallen: Xi Jinping und Kreml-Machthaber Wladimir Putin verkündeten am 4. Februar 2022 eine spezielle Freundschaft und Partnerschaft ihrer beiden Länder.

China warf den Vereinigten Staaten vergangene Woche, ganz der russischen Propaganda folgend, vor, für den Kriegsausbruch in der Ukraine verantwortlich zu sein. Neben den Entspannungssignalen auf der einen Seite verschärft Peking zur gleichen Zeit seine Gangart gegenüber Washington. Größter Streitpunkt dabei ist das demokratische Taiwan. Das Land gehört zu den wichtigsten Produzenten von Computer-Chips, die Peking braucht, um sein Militär auf den neusten Stand zu bringen. Peking behauptet, Taiwan gehöre zur Volksrepublik. In Wahrheit aber hat die KP niemals über die Insel geherrscht.

 

Machtkampf in Peking?

Das Hin und Her Pekings zwischen Aggression und Entspannung deutet auf einen Machtkampf in Peking hin: Xi Jinpings Flügel wurden nach den Protesten im November, die sich gegen seine totalitäre Null Covid-Politik richteten, gestutzt. Nie war seine Herrschaft so fragil wie im Moment. Er braucht nun einen außenpolitischen Erfolg, den er sich von einer harte Linie gegenüber den USA erhofft. Gleichzeitig muss er aber auch die darbende chinesische Wirtschaft anschieben, wofür es unabdingbar ist, es sich nicht völlig mit den Amerikanern zu verscherzen.

Dass US-Außenminister Blinken angeboten hat, das Treffen unter Umständen nachzuholen, mag Xi Jinping daher mit Erleichterung aufgenommen haben.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2023)


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