Morgenglosse

Diese Katastrophe lässt sich ohne Zusammenhalt nicht überwinden

Mesut Hancer hält die Hand seiner Tochter, die in den Trümmern verschüttet ist. Bild aus Kahramanmaras.
Mesut Hancer hält die Hand seiner Tochter, die in den Trümmern verschüttet ist. Bild aus Kahramanmaras.(c) APA/AFP/ADEM ALTAN (ADEM ALTAN)
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Nach dem Erdbeben ist die Solidarität und die Hilfswelle in der Türkei groß, auch die internationale Gemeinschaft hat schnell Hilfe geschickt. Kritischen Fragen wird sich die Regierung später trotzdem stellen müssen.

In den Trümmern sitzt ein Mann. Er trägt eine Warnschutzjacke in leuchtendem Orange, seine Beine sind angewinkelt. Er hält die Hand seiner 15-jährigen Tochter, von ihr sind nur die Finger zu sehen. Ihren restlichen Körper haben die Trümmerteile verschluckt. Der Vater weicht ihr nicht von der Seite. Das Mädchen, schreibt CNN Türk, habe die Katastrophe in Kahramanmaraş wohl nicht überlebt.

Seit dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien Montagfrüh werden die (sozialen) Medien mit Fotos und Videos überflutet, die die Verzweiflung der Menschen vor Ort dokumentieren. Bisweilen lassen sich die Bilder mit Worten gar nicht beschreiben. In vielen Regionen sind zu wenige bis gar keine Hilfskräfte vor Ort, dabei sind die Rettungsaktionen ein Wettlauf mit der Zeit. Da auch Straßen und Landepisten zerstört sind, kommt die Hilfe schleppend an. Die Hoffnung ruht nicht nur auf den Helfern, die andere türkische Provinzen entsenden, sondern auch auf den internationalen Rettungskräften.

Spezialisten aus Vorarlberg

Griechenland gehört zu den ersten Ländern, die Hilfe schickten: 21 Feuerwehrleute, zwei Spürhunde, ein Ingenieur, fünf Ärzte, Wissenschaftler. So kritisch die Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland auch sind, auf die sogenannte Erdbeben-Diplomatie besinnen sich beide Länder stets, wenn es zu Katastrophen kommt. Israel schickte nach einer Krisensitzung im Außenministerium ebenfalls Rettungskräfte in die Erdbebenregion, aber auch in das verfeindete Syrien.

Aus Indien landete ein großes medizinisches Team der Armee in die Türkei, insgesamt 99 Personen; sie brachten Röntgengeräte mit sich, Sauerstoff- und EKG-Geräte. In sozialen Medien wurde ein Bild tausendfach geteilt und kommentiert, das die Ankunft japanischer Rettungseinheiten in der Türkei zeigte.

Selbst die kriegszerstörte Ukraine entsendete 87 Rettungskräfte, Russland will 300 Militärs, die in Syrien stationiert sind, in die Krisenregion schicken. Die Liste ließe sich lange fortsetzen: Aus mindestens 70 Ländern, darunter auch Mexiko, traf Unterstützung ein, wie Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte.

Am Dienstag bestiegen in Zürich 32 Mitglieder der Ortsfeuerwehr Rankweil den Flieger. Die Vorarlberger sind nicht nur Such-Spezialisten, sondern bringen auch fünf Tonnen Ausrüstung mit: Suchkameras, Bohrer, Ortungsgeräte. Außenminister Alexander Schallenberg kündigte weitere Hilfen an, die Katastrophenhilfe des Bundesheeres landete Montagabend in Adana.

Katastrophen wie diese lassen sich ohne Zusammenhalt nicht überwinden. Die Solidarität und Hilfswelle im Land ist groß, die Ankunft ausländischer Helfer zeigt, dass die Anteilnahme groß ist. Innenminister Süleyman Soylu rief in Kahramanmaraş dazu auf, angesichts der Katastrophe eine einheitliche Sprache zu finden, die Kräfte zu bündeln.

So lange die Bergungsarbeiten laufen, ist das sicherlich der richtige Weg. „Katastrophen sind nicht etwas, was man planen kann“, sagte Soylu auch. Auch das trifft zu. Aber später muss sich die Regierung der Frage stellen, ob sie genug getan hat, um die Bürgerinnen und Bürger in der als erdbebengefährdet bekannten Region zu schützen. Dieser Frage kann die Regierung nicht entkommen.

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