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Bericht, Autofiktion oder Werbung?

Idealerweise liefern Reiseblogs authentische, fundierte und, ja, auch autofiktionale Berichte, die sich von werblichen Inhalten abgrenzen.
Idealerweise liefern Reiseblogs authentische, fundierte und, ja, auch autofiktionale Berichte, die sich von werblichen Inhalten abgrenzen.Unsplash/Joshua Earl
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Was die Literatur „Autofiktion“ nennt, wird auch bei Internet-Reisegeschichten populärer.

In der Literatur hört man neuerdings viel von „Autofiktion“, von „Life Writing“. Solche Bücher haben Autorinnen und Autoren als Hauptfiguren. Sie verwenden dabei ihr stilisiertes, literarisiertes Ich, ohne die Verschleierung des ­herkömmlichen Romans. Dieses Genre – es befriedigt Lesende in ihrer Suche nach wahren Geschichten – erfuhr in der instagramisierten Ära einen Popularitätsschub. Wir interessieren uns plötzlich für die Schamlosigkeiten der Nachbarn. Je besser jemand fotografisch auftritt, desto gieriger unser Interesse an hübschen Katzen, am Menü des Vorabends oder dem ironischen Promi-Selfie.

Selbstdarsteller am Display

Parallel dazu haben sich auch Reisegeschichten verändert. Die Krise des Gedruckten auf Kosten von jederzeit überall abrufbaren Attraktionen schwemmte eine Generation von Selbstdarstellern und Selbstdarstellerinnen an die Oberfläche des Displays. Von Schreibenden in herkömmlichen Medien unterscheiden sich Blogger durch die Nichtabgrenzung von redaktionellem und werblichem Inhalt. Schönheitsfehler: eine nicht offengelegte Finanzierungslage. So beschäftigt sich ein Wander- und Skiblog etwa mit Sport in den Bergen. Die Protagonistin promotet einen Gletscher sympathisch als ihr 32 Pistenkilometer kleines Lieblingsskigebiet und vermittelt im übrigen glaubhaft Begeisterung für sich selbst, für ihren eigenen Lifestyle. Legitim, wäre da nicht die gnadenlos unbeholfene („Wir hatten immer eine richtig gute Zeit gemeinsam.“) oder stilblütenhafte Sprache („Rückwärts bin ich hier auch schon schmerzhaft auf dem Po runtergerutscht.“). Sie kann nicht schreiben – Ski-Credibility der Letzten Schreibgeneration!

Doch daneben existieren auch Internettexte authentischer Reisender. Etwa in der Blog-Anthologie „Travelstories“ von Johannes Klaus. Der schreibt nicht nur gut, er stellt auch Hintergrundgrafiken oder kleine, witzige Handy-Filmkunstwerke bei, etwa auf seiner Somaliland-Reise mit dem Freund „Alex dem Schweden“ – in ein Land, das von keinem anderen Land anerkannt wird. Ein seriöser, mitreißender Blogger, Prädikat: autofiktionales Travel-Writing.

("Die Presse Schaufenster" vom 03.02.23)

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