Menschenrechte, Umweltschutz

Lieferketten-Richtlinie: Steine auf dem Weg der Umsetzung

Im April 2013 starben 1136 Menschen beim Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesh. Das soll  eine strenge Liefergesetzgebung verhindern.
Im April 2013 starben 1136 Menschen beim Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesh. Das soll eine strenge Liefergesetzgebung verhindern.Reuters, Andrew Biraj
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Vor einer ersten Abstimmung über die EU-Lieferketten-Richtlinie gehen die Wogen im Umweltausschuss des EU-Parlaments hoch. Auch innerhalb der konservativen Fraktion.

Es ist ein Schlüssel-Instrument in den Bestrebungen der EU, mit mehr Nachhaltigkeit gegen die um sich greifende Klimakrise anzukämpfen: die Richtlinie, mit der die Wirtschaft in die Pflicht genommen werden soll. Besser bekannt in der allgemeinen Debatte ist diese Richtlinie als „Lieferkettengesetz“. Vor der Abstimmung im Umweltausschuss am Donnerstag zeichnet sich nun ein Konflikt innerhalb der konservativen Fraktion ab.

Worum geht’s? Die Richtlinie soll Handel und Industrie dazu verpflichten, über die gesamte Produktions- und Lieferkette sicherzustellen, dass Verletzungen von Menschenrechten ausgeschlossen sind, Umweltstandards nicht missachtet werden und keine Praktiken angewandt werden, die den Klimazielen der Europäischen Union zuwiderlaufen. Werden diese Prinzipien verletzt, so könnte das Unternehmen zur Rechenschaft und zur Verantwortung gezogen werden.

Der ursprüngliche Entwurf der Kommission ist im EU-Parlament verschärft worden und enthält nun Bestimmungen, mit denen die Klimakrise und die EU-Klimaziele konkret angesprochen werden. Berichterstatter bei diesem Thema ist der deutsche Sozialdemokrat Tiemo Wölken, der bis vor wenigen Tagen optimistisch war, dass der Vorschlag mit einer sehr breiten Mehrheit angenommen wird.

Seit zwei Tagen ist diese Hoffnung geschwunden. Das verschärfte Ausgangspapier zu dem Richtlinienentwurf wurde in formellen und informellen Verhandlungsrunden wieder entschärft. „Bis vor zwei Tagen hat die EPP (die konservative Fraktion, Anm.) unser Papier mitgetragen“, heißt es aus dem Büro von Wölken. Am Montag allerdings hat sich Schattenberichterstatterin Sirpa Pietikäinen (eine finnische Konservative) gemeldet und mitgeteilt, dass die EPP das Papier nun doch nicht mittragen könne. Nachsatz: „Oder nicht zur Gänze.“

Einen Alternativtext gibt es nicht, wohl aber die Benennung der Problemzonen (jedenfalls für die EPP): Klimaübergangspläne, Definition von Umwelteinflüssen und die Priorisierung von Risiken. Alexander Bernhuber, österreichischer EU-Parlamentarier (auf einem VP-Ticket), meint in einer E-Mail an die „Presse“: „Ich werde die Stellungnahme aus dem Umweltausschuss aller Voraussicht nach ablehnen. Der Text sieht deutlich strengere Vorgaben als die Europäische Kommission vor und Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmern wird das Wirtschaften verunmöglicht. Die Nachweispflicht für Einzelunternehmen, die an Dritte verkaufen, wäre administrativ nicht umsetzbar.“

Bernhuber fügt noch hinzu: „Wir stehen für aktiven Klimaschutz und ein stabiles Lieferkettengesetz, aber wir wollen eine Lösung, die in der Realität umsetzbar ist und nicht Kleinunternehmen mit Bürokratie überfordern.“

Vor-Entscheidung in der nächsten Woche

Die derzeitige Version der Richtlinie sieht vor, dass sie für Unternehmen mit mehr als 250 Angestellten und mit mehr als 40 Millionen Jahresumsatz gelten.

Zu hören ist aus dem Parlament allerdings auch, dass der Rückzieher ein taktisches Manöver ist: Trage die EPP im Umweltausschuss das Papier mit, dann wäre die Argumentation im Verfassungsausschuss schwierig, sofern die Konservativen dort gegen den Richtlinien-Entwurf stimmten. Der Rechtsausschuss ist bei dieser Richtlinie federführend. Dort wird es in der nächsten Woche eine Abstimmung geben.

Der Umweltausschuss dürfte das von Wölke ausgearbeitete und in vielen Runden geglättete Papier ohnehin beschließen: Die Unterstützung von Sozialdemokraten, Grünen, Liberalen und Linken dürfte solide sein, die Allianz der Gegner dürfte sich auf die Konservativen (zumindest teilweise) und auf die Parlamentarier von rechten Fraktionen beschränken.

Anna Leitner, bei der Umweltorganisation „Global 2000“ zuständig für Ressourcen-Themen, fordert Bernhuber auf, sich nicht „in die Reihen der Blockierer einzuordnen“ und meint weiter: „Die Abgeordneten sollten sich auf ihre Aufgabe besinnen, für Sicherheit und klare Regeln zu sorgen, damit jene Unternehmen, die schon heute ihrer Verantwortung nachkommen, nicht länger im Nachteil sind.“

Mit einer Abstimmung im Plenum des Europa-Parlaments ist im Mai zu rechnen, anschließend dreht sich das Rad der Gesetzwerdung mit dem Trilog – Verhandlung zwischen Parlament, Rat und Kommission – in die Schlussrunde.

Entscheidend wird bei der Richtlinie auch sein, welche Spielräume den Mitgliedsstaaten für die nationale Gesetzgebung (die für die Richtlinie nötig ist) eingeräumt werden wird. Die Durchsetzbarkeit hängt schließlich auch davon ab, wie die konkreten Möglichkeiten aussehen, die zivilrechtlichen Organisationen und Einzelpersonen eingeräumt werden. Zentrale Themen sind dabei Verjährungsfristen und ob Klägern das finanzielle Risiko abgenommen oder zumindest gemildert wird.

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