Gastbeitrag

Inflation: Läuft in Österreich etwas falsch?

(c) Peter Kufner
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In Österreich war die Inflationsrate im Jänner höher als im Eurozonen-Schnitt. Das liegt auch an mehreren speziellen Umständen.

DER AUTOR

Gabriel Felbermayr

(*1976 in Steyr), Studium der VWL an der Kepler-Universität Linz und Ph.D. in Florenz. Felbermayr war von 2019 bis 2021 Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IFW) und ist seit 2021 Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Er ist zudem Universitätsprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Die Jänner-Zahlen zur Inflation in Österreich sind eine große Enttäuschung. Nach nationaler Berechnung stieg die Inflationsrate auf 11,1 Prozent im Jahresvergleich; nach harmonisierter EU-Berechnung stiegt sie sogar auf 11,5 Prozent. Erwartet wurde hingegen vielfach ein leichter Rückgang. In der Eurozone insgesamt ist die Rechnung hingegen aufgegangen, und die Preissteigerungsrate lag bei 8,5 Prozent. Läuft in Österreich etwas falsch?

Zunächst: Ein enttäuschender Monatswert begründet noch keinen Negativtrend. Die Wifo-Prognose vom Dezember 2022, die eine leicht rückläufige Inflation im Jahresverlauf 2023 vorhersieht, bleibt aufrecht, auch wenn die Inflation hartnäckiger sein dürfte als bisher gedacht. Denn die Energiepreise, bisher die stärksten Treiber der Teuerung gehen wieder langsam zurück. Und dass Österreich eine leicht höhere Inflationsrate als der Rest des Währungsraums hat, war schon vor 2021/22 so. Übrigens ist die Inflationsrate auch in Frankreich oder Spanien gestiegen, aber ausgehend von deutlich niedrigeren Niveaus. Und außerhalb der Eurozone ist das Bild uneinheitlich: Schweden, Ungarn oder Polen haben höhere Inflationsraten, die Schweiz oder die USA viel niedrigere. Am Euro kann es also nicht liegen. Eher von Bedeutung ist die geografische Nähe zum Kriegsschauplatz Ukraine und die Bedeutung von russischem Erdgas im lokalen Energiemix.

Der Preisdruck bleibt

Österreich hat in der Teuerungskrise, wie die meisten anderen Länder, viele Abfederungsmaßnahmen beschlossen. Dabei wurde viel Geld direkt in die Taschen der Haushalte geleitet, um einen Einbruch des Konsums zu verhindern. Das ist gelungen, aber solang die Nachfrage hoch bleibt, geht der Preisdruck nicht zurück – im Gegenteil, in einigen Branchen wie in der Gastronomie verschärfte er sich sogar. Gesamtwirtschaftlich macht dieser Effekt zwar nicht mehr als ein bis zwei Prozentpunkte der Teuerungsdynamik aus, wären die Hilfen aber zielgerichteter geflossen, so hätten sie weniger inflationstreibend gewirkt. Österreich hat zwar auch auf die Regulierung von Preisen, etwa durch die Strompreisbremse, gesetzt. Andere Länder haben diese Karte aber sehr viel stärker gespielt, teilweise durch direkte Preiskontrollen. Solche Maßnahmen reduzieren zwar die gemessene Inflation, aber das Basisproblem hoher Kosten und knappen Angebots lösen sie nicht. Im Gegenteil: Sie wirken ebenfalls nachfragesteigernd.

In Österreich schlägt eine Reihe von speziellen Umständen zu Buche. Gerade bei jenen Gütern und Dienstleistungen, die hierzulande besonders stark nachgefragt werden, hat die Teuerung besonders hart zugeschlagen. In Österreich beträgt das Gewicht von Hotellerie- und Gastronomieleistungen im Warenkorb 11,2 Prozent, in der Eurozone nur 8,5 Prozent und in Deutschland gar nur 3,9 Prozent. Wenn Schnitzel und Co. in München und Wien jeweils um 20 Prozent teurer werden, dannsteigt die offiziell gemessene Inflationsrate dort um 0,8 Prozentpunkte, hier aber um ganze 2,2 Punkte – ein massiver Unterschied.

Ähnlich unglücklich ist die Lage beim Spritpreis. Ein durchschnittlicher österreichischer Haushalt gibt jährlich von den gesamten Konsumausgaben etwa 2,1 Prozent für Diesel und 1,5 Prozent für Benzin aus; in Deutschland ist der Dieselanteil gerade einmal 1,0Prozent, in der Schweiz 0,5Prozent. Diesel war im Dezember 2022 in Deutschland um 18 Prozent, in Österreich um 21,3 Prozent und in der Schweiz um 14,3 Prozent teurer als vor einem Jahr. Daher ist sein Inflationsbeitrag in Österreich mehr als zweieinhalbmal so hoch als in Deutschland und sechseinhalbmal so hoch als in der Schweiz.

Was ist in der Schweiz anders?

Apropos Schweiz: In der Schweiz liegt die letzte Inflationsrate bei unter drei Prozent; in Österreich ist sie fast viermal so hoch. Das hat mehrere Gründe. Während der Euro gegenüber dem Dollar abwertete, hielt sich der Franken im Jahresvergleich stabil. Die Schweiz hat außerdem die Importzölle auf Agrarzölle gesenkt, was die Lebensmittelpreise dämpft. Und die geografische Lage erlaubt es, im nahen Ausland einzukaufen, was den Wettbewerb im Einzelhandel anheizt und Preiserhöhungen erschwert.

Der wichtigste Grund für die massive Diskrepanz der Inflationsraten liegt aber darin, dass in der Schweiz ein Anteil von fast 30 Prozent des Warenkorbs administrierte, das heißt, staatlich festgesetzte Preise aufweist. In keinem anderen Land in Europa ist der Anteil so hoch. In Österreich liegt er bei neun Prozent. Da gerade die Preise für Haushaltsenergie in der Schweiz amtlich festgesetzt und somit gedeckelt werden, diese aber in der Eurozone besonders stark gestiegen sind, entsteht ein großer Unterschied in der Inflationsrate. Hat die Schweiz damit ein besseres System? Die Großhandelspreise für Energie sind in der Eidgenossenschaft ähnlich stark gestiegen wie im Rest Europas; die Weitergabe an die Konsumenten findet aber nur eingeschränkt statt. Die Energieversorger machen nun aber massive Verluste und müssen von Kantonen und Kommunen mit Steuergeld gerettet werden. In Frankreich ist es ähnlich, wie der Fall der Electricité de France zeigt. Die Inflationsrate ist in diesen Ländern zwar kleiner, aber die Probleme tauchen anderswo auf.

Keine exakte Wissenschaft

Die Messung der Inflationsrate ist keine exakte Wissenschaft. So ist nicht klar, wie genau die verschiedenen nationalen Strom- und Gaspreisbremsen, die sehr unterschiedlich konstruiert sind, Eingang in die Statistik finden. So hat das deutsche statistische Bundesamt gar die Veröffentlichung der deutschen Daten um neun Tage verschieben müssen – ein höchst ungewöhnlicher Vorgang. Die Statistikämter passen die Gewichte der einzelnen Warengruppen für die Berechnung des Index jedes Jahr an. Wie genau das für 2023 passiert ist, ist noch nicht bekannt. Es ist aber wahrscheinlich, dass das Gewicht von gerade stark teurer gewordenen Gütern und Dienstleistungen, vor allem von Energie, nach oben angepasst wurde, was die gesamtwirtschaftliche Inflationsrate nach oben treibt.

In Österreich haben die Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst deutlich höhere Abschlüsse gebracht als etwa in Deutschland. Das ist einerseits gut, denn so bleibt Kaufkraft erhalten, und soziale Verwerfungen werden gemildert. Andererseits treiben die höheren Löhne in allen Branchen die Arbeitskosten nach oben. Neben Problemen bei der internationalen Wettbewerbsfähigkeit führt dies zu einer höheren Kerninflation – der Teuerungsrate ohne Energie und Nahrungsmittel.

Die unangenehme Wahrheit ist: Wenn die Inflation wieder in Richtung der Zwei-Prozent-Vorgabe der europäischen Geldpolitik sinken soll, dann dürfen Kosten und Preise nicht um viel mehr als diesen Wert steigen. Das gilt für Mieten, aber auch für Löhne. Nur dass bei Letzteren massive soziale Schieflagen drohen, wenn der Inflationsausgleich nicht annähernd gelingt. Bei den meisten Immobilieneigentümern ist das weit weniger wahrscheinlich.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2023)

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