Astronomie

Ein Planet hat einen Ring, der sich nicht an Regeln hält

Der Ring ist so weit vom Zwergplaneten Quaoar entfernt, dass er sich eigentlich zum Mond verklumpen müsste. Wie lässt sich das Rätsel lösen?

Der französische Astronom Édouard Albert Roche wurde durch die „Roche-Grenze“ berühmt, die er 1850 berechnete. Worum geht es? Wenn ein kleinerer Himmelskörper einen größeren umkreist, wirken zwei gegenläufige Kräfte – die Gravitation hält ihn zusammen, die Gezeitenkraft zerrt ihn auseinander. Kommt ein Mond seinem Planeten zu nahe, wird er sogar zerrissen. Dieses Schicksal erlitt wohl ein Saturn-Trabant aus Eis. Aus den Trümmern bildeten sich die Ringe. Ihre Teile sind klein genug, dass sie den Saturn innerhalb der Roche-Grenze unbeschadet umkreisen können – und dabei einzelne Partikel bleiben. Anders außerhalb: Da würden sie sich, wenn sie zusammenstoßen, zu größeren Gebilden verklumpen, also zu Monden. Diese Theorie war soeben noch unumstritten – und scheint nun widerlegt.

Am Rande des Sonnensystems, jenseits des Jupiters, umkreist der Zwergplanet Quaoar unseren Stern. Jetzt haben Astronomen entdeckt, dass er ein Ringsystem hat – so wie Saturn, Jupiter, Uranus, Neptun und zwei andere Zwergplaneten. Aber es liegt, anders als bei allen bekannten Kollegen, weit außerhalb der Roche-Grenze: 4100 Kilometer vom Mittelpunkt des Quaoar, nur 1780 km wären „erlaubt“. Wie ist das möglich? Das Team um B. E. Mongado (Rio de Janeiro) kann in „Nature" (8. 2.) nur spekulieren.

Wie elastisch kann Eis sein?

Fest steht: Der Ring ist so dicht, dass seine Partikel sicherlich oft kollidieren. Innerhalb der Roche-Grenze würden sie aber mit unterschiedlicher Geschwindigkeit kreisen (je näher dem Planeten, desto schneller), und das würde ein Verklumpen vermeiden, trotz gegenseitiger Anziehung. Außerhalb der Grenze müssten sie beim Aneinanderstoßen Energie verlieren, immer langsamer werden und schon bald aneinander kleben bleiben.

Hatten sie noch zu wenig Zeit zum Verklumpen? Das ist unwahrscheinlich. Eine heißere Spur: Das Material könnte so elastisch sein, dass die kollidierenden Partikel voneinander abprallen, wie Billardkugeln. Die Forscher konnten im Labor zeigen, dass dies bei Eispartikeln unter bestimmten Umständen möglich ist. Oder es könnte sein, dass ein Mond des Quaoar mit seiner Anziehungskraft hineinspielt. Wie auch immer: Die Grenze des Monsieur Roche hat den Glanz ihrer apodiktischen Geltung verloren.

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