Management

Von einem Karatemeister lernen

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Kolumne "Hirt on Management": Folge 194. Was Manager und Managerinnen von einem Okinawa-Karate-Meister lernen können.

Nach Jahren der Pause hat sich ihr Kolumnist wieder begonnen, mit Kampfkunst, insbesondere Karate, zu beschäftigen. 

Besonders interessant für Managerinnen und Manager sind die Techniken und Einsichten, die von erfahrenen Altmeistern des Okinawa-Karate weitergegeben werden:

Alter Hase, pass auf

Je älter ein Karateka ist, umso mehr muss er sich für seine Wirksamkeit (und sein Überleben) auf seine Schlauheit und seine Erfahrung verlassen, weil die zu erwartenden Gegner, mehr Energie und Belastbarkeit haben. 

In der Praxis bedeutet das, dass bei einem Kampf bereits der erste Schlag des Altmeisters sitzen muss, d.h. dass der Gegner bereits nach dem ersten Schlag kampfunfähig sein muss, zum Beispiel durch einen Arm- oder Beinbruch. 

Oder zum Beispiel durch Druck, einen Stoß oder Schlag auf sogenannte Nervendruckpunkte des Gegners, die intensive Schmerzen, kurzzeitige Lähmung, Atemstillstand oder sogar den Tod herbeiführen. 

Sie fragen sich, was diese schrecklichen Dinge mit Management zu tun haben? 

Ganz einfach, Erfahrung ist eben durch nichts zu ersetzen. 

Weniger Energie durch Erfahrung und Präzision überkompensieren

Erfahrene Managerinnen und Manager sind darauf angewiesen, ihre Schlauheit und ihr Erfahrungswissen dazu einzusetzen, um möglichst schnell und punktgenau zum Ergebnis zu kommen. 

Wenn ich trotz 20-25 Jahren im Management, noch immer zu viele Umwege gehen muss, sprich, Fehler mache, oder noch immer jeden Tag bis zur Erschöpfung arbeiten muss, ohne Zeit für andere Dinge zu haben, dann stimmt etwas nicht. 

Dann muss ich etwas ändern und meine Lernkurve neu aufsetzen. Dazu können externe Impulse und externe Expertise sehr hilfreich sein.

Einladung zur Achtsamkeit und Aufmerksamkeit

„Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit“ hielt Gichin Funakoshi (1867 – 1957) im Shōtō Nijū Kun, den 20 Regeln des für Karateka angemessenen Verhaltens, fest.

Der erste Punkt bei Achtsamkeit und Aufmerksamkeit ist, ausreichend innere Ruhe und Gelassenheit entwickelt zu haben, um die Umwelt wirklich gut wahrzunehmen, Gefahren und Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und durch präventives Verhalten, möglichst überhaupt zu vermeiden, bzw. ihnen aus dem Weg zu gehen.

Die beste Schlacht, schreibt schon der Chinese Meister Sun (der berühmte Sun Tsu oder Sunzi, der die „Kunst des Krieges“ verfasste) ist die, die ich nicht schlagen muss. 

Es geht nicht darum, dass man feige ist, sondern darum, dass man erkennt, dass jede Konfrontation, jede Schlacht, unvorhersehbare Wendungen und Ergebnisse bringen kann, also viele Risiken und Unwägbarkeiten mit sich bringt, sowie den Verbrauch von kostbaren Ressourcen, die man vielleicht deutlich besser woanders einsetzen könnte. 

„Choose your battles well“ sagen die Angelsachsen und damit ist das gleiche gemeint.

Jeder Manager und jede Managerin muss zur Gelassenheit, Achtsamkeit und Aufmerksamkeit ihren eigenen Weg finden, manche betreiben Sport dazu, manche meditieren, andere beschäftigen sich mit Kunst und Kultur, usw. 

Wenn ich nicht aufmerksam genug war für präventives Verhalten („preventive action“), beziehungsweise dieses nicht zum Erfolg geführt hat, dann muss ich unmittelbar auf die Situation oder Bedrohung reagieren: „contingent action“. 

Jetzt gilt es wirklich alle Fähigkeiten der Achtsamkeit und Aufmerksamkeit zu aktivieren und alle verfügbaren Kräfte auf die Lösung des Problems zu konzentrieren. 

Auch hier zeigt die Erfahrung, dass unabhängiger Rat und ein gelassener, erfahrener Blick von außen, sehr hilfreich sein können, um kostspielige Fehler und teure Umwege zu vermeiden. 

Auf der Lernkurve bleiben

„Denke immer nach und versuche dich ständig an Neuem.“ schreibt Funakoshi im Shōtō Nijū Kun. 

Echte Meisterschaft erfordert, ständige Weiterentwicklung, ständige Analyse des eigenen Verhaltens und der erzielten Ergebnisse, sowie der daraus abzuleitenden Verbesserungspotenziale, ein ständiges Streben und Ausstrecken nach neuem Wissen, neuen Erkenntnissen und neuen Methoden. 

Gemeint ist hier, meines Erachtens, nicht ständig komplett neue Dinge zu beginnen, also sich die ganze Zeit komplett neu zu erfinden, sondern im Rahmen seiner Disziplin und seines gewählten Schwerpunktes, jahrzehntelang kontinuierlich nach Verbesserung und Meisterschaft zu streben, also nicht bei „Meister“ oder „Meisterin“ aufzuhören, sondern zum „Großmeister“ oder zur „Großmeisterin“ zu werden. 

Das Wichtigste in Kürze

Erfahrene Managerinnen und Manager sind darauf angewiesen, ihre Schlauheit und ihr Erfahrungswissen dazu einzusetzen, um möglichst schnell und punktgenau zum Ergebnis zu kommen. Dazu sind Achtsamkeit und Aufmerksamkeit, sowie ständige Weiterentwicklung, ständige Analyse des eigenen Verhaltens und der erzielten Ergebnisse, sowie der daraus abzuleitenden Verbesserungspotenziale, ein ständiges Streben und Ausstrecken nach neuem Wissen, neuen Erkenntnissen und neuen Methoden, wichtige Voraussetzungen. Also von „Meister“ oder „Meisterin“, zum „Großmeister“ bzw. zur „Großmeisterin“. 

Schicken Sie Ihre Fragen an Michael Hirt an: karrierenews@diepresse.com

Die Fragen werden anonymisiert beantwortet.

Ausblick: Die nächste Kolumne von Michael Hirt erscheint am 23. Februar 2023 zur Frage: Was ChatGPT für Manager und Managerinnen bedeutet

Hier finden Sie die gesammelten Kolumnen.

Michael Hirt ist Managementexperte und -berater, Executive Coach, Keynote Speaker und Buchautor. Hirt verhilft Führungskräften zu außergewöhnlichen Leistungs- und Ergebnissteigerungen, mit hoher Auswirkung auf den Erfolg ihres Unternehmens. Er studierte in Österreich, den USA (Harvard LPSF) und Frankreich (INSEAD MBA) und ist weltweit tätig.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

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