EU-Gipfel

EU-Migrationsgipfel: Kontroversen beim Dinner und die Suche nach neuem Geld

EU Summit In Brussels, Belgium Italy s Prime Minister Giorgia Meloni arrives for a summit at EU parliament in Brussels,
EU Summit In Brussels, Belgium Italy s Prime Minister Giorgia Meloni arrives for a summit at EU parliament in Brussels, IMAGO/NurPhoto
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Die Staats- und Regierungschefs debattierten am Abend über Migration und Industriepolitik.

Das Dinner, zu dem sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondertreffen am Donnerstagabend im Ratsgebäude versammelten, verlief weit weniger harmonisch als die Stunden davor. Nach der Abreise des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij aus Brüssel (Seite 1) wurde der Ton unter den 27 beim Thema Migration deutlich rauer.

Betrachtet man die divergierenden Positionen der einzelnen Protagonisten zu Gipfelbeginn, ist es kein Wunder, dass sich die Debatte bis in die späten Abendstunden zog: Schon bei seiner Ankunft in Brüssel erneuerte Österreichs Kanzler Karl Nehammer seine Forderung nach einer EU-Finanzierung von Zäunen an den EU-Außengrenzen und wird in diesem Ansinnen von einigen Partnerländern unterstützt. Xavier Bettel gehört nicht dazu: „Es wäre eine Schande, wenn eine Mauer in Europa gebaut würde mit den europäischen Sternen drauf“, so der Luxemburger Premier.

Die EU-Kommission selbst hatte zuletzt mehrfach betont, kein gemeinsames Geld für den Bau von Zäunen zur Verfügung stellen zu wollen; auch Regierungsmitglieder aus Deutschland und Frankreich äußerten sich zurückhaltend. Italien wiederum hat andere Sorgen: Seit Jahren landen Hunderttausende Flüchtlinge in dem Mittelmeerland, weshalb Rom im Rat für eine gerechte Verteilung Schutzbedürftiger Stimmung macht.

Insgesamt wurden in der Union im Vorjahr 924.000 Asylanträge gestellt – so viele wie seit den großen Fluchtjahren 2015 und 2016 nicht mehr. Ein guter Teil davon dürfte die so genannte Sekundärmigration betreffen – Menschen also, die (möglicherweise schon länger) in einem anderen EU-Land aufhältig waren, nach einiger Zeit weiterreisen und anderswo einen Asylantrag stellen.

Die schwedische Ratspräsidentschaft mit Premier Ulf Kristersson von der der konservativen „Moderaten Sammlungspartei“ an der Spitze setzte effizientere Rückführungen zuoberst auf die Agenda – in Anbetracht der Tatsache, dass lediglich ein Fünftel jener Menschen, die einen negativen Asylbescheid erhalten, aus der EU in ihre Heimatländer zurückgebracht werden, ebenfalls ein drängendes Thema. Wie in den Schlussfolgerungen des Sondergipfels festgehalten ist, will die EU Erleichterungen in der Visapolitik künftig davon abhängig machen, ob ein Drittstaat bei der Rückführung seiner Bürger kooperiert oder nicht. Auch Handelshemmnisse wie höhere Zölle und eine Beschneidung finanzieller Hilfen stehen im Raum.

Antwort auf US-Subventionspaket

Weniger konträr als die Migrationsdebatte – wenngleich ebenfalls umstritten – war beim gestrigen Sondertreffen die Antwort der EU auf das US-Subventionspaket Inflation Reduction Act (IRA), ein im vergangenen August in Washington beschlossenes Klimaschutz- und Sozialpaket im Umfang von knapp 400 Milliarden Euro, das, vereinfacht gesagt, Steuern für Unternehmen senkt, die in saubere Energie investieren und dafür Produkte „Made in USA“ nutzen – etwa Elektroautos mit Batterien aus den Staaten.

Vergangene Woche hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die diesbezügliche Strategie ihrer Behörde unter dem Titel „Green-Deal-Industrieplan“ vorgestellt, mit deren Hilfe der europäische Wirtschaftsstandort im globalen Wettrennen konkurrenzfähig bleiben soll. Debatten gibt es darum, inwiefern frisches Geld – etwa in Form gemeinsamer Schulden – genutzt werden soll. Im Juni will die Kommission einen Vorschlag für einen „Europäischen Souveränitätsfonds“ vorlegen, der der Union helfen soll, „einen Vorsprung bei kritischen und neuen Technologien zu bewahren, die für den grünen und digitalen Wandel relevant sind, von Computertechnologien, einschließlich Mikroelektronik, Quantenrechnern und künstlicher Intelligenz, bis zu Biotechnologie.“

Wie dieser Fonds gespeist werden soll, ist noch nicht hinreichend geklärt. Von ungenutzten Geldern im Corona-Wiederaufbaufonds ist ebenso die Rede wie von „frischem Geld“ – etwa in Form gemeinsamer Schulden. Hier aber dürfte Deutschland Einwände vorbringen, dessen Kanzler Olaf Scholz (SPD) bereits zum wiederholten Male vor einem „ungehemmten Subventionswettlauf mit den USA“ gewarnt hat.

Auch Österreich, Irland, Tschechien, Dänemark, Estland, Finnland und die Slowakei wollen nicht riskieren, dass die europäische Wettbewerbsfähigkeit auf dauerhaften – und nicht zielgebundenen – Staatshilfen beruht: Dies, so hielten die Finanzminister der sieben EU-Länder jüngst in einem Brief fest, könne dazu führen, dass sich Staaten versuchen gegenseitig zu überbieten, was für einzelne nicht tragbar sei.

„Fit für digitale Transition“

In der gemeinsamen Gipfelerklärung verpflichten sich die Staats- und Regierungschefs nunmehr dazu, die „Strategische Souveränität“ zu stärken und die „wirtschaftliche, industrielle und technologische Basis fit für die grüne und digitale Transition zu machen“, um langfristig wettbewerbsfähig und produktiv zu bleiben.

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