Sprachbrücken

Verständlichkeit als oberstes Ziel

Leichte Sprache dient Menschen, deren Deutschkenntnisse, oft wegen kognitiver Beeinträchtigung, eingeschränkt sind.
Leichte Sprache dient Menschen, deren Deutschkenntnisse, oft wegen kognitiver Beeinträchtigung, eingeschränkt sind.Capito
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Leicht verständliche Texte werden von Unternehmen und Behörden zunehmend nachgefragt. Teilweise sind bei der Gestaltung strenge Regeln zu berücksichtigen.

Der Kreditvertrag der Bank, die Anonymverfügung des Verkehrsstrafamts, der notarielle Schenkungsvertrag: Beispiele seitenlanger Texte, die man schon aus Zeitgründen oft gern auf den inhaltlichen Kern beschränkt hätte – möglichst in wenigen Zeilen formuliert.

Damit ist man schon nahe am Wunsch nach „Einfacher Sprache“ – eine klare Ausdrucksweise, die dem Sprachniveau B1 entspricht und sich auf das Wesentliche konzentriert. Immer mehr Organisationen und Behörden, aber auch Firmen haben Bedarf an Texten in Einfacher Sprache, zumal diese an keine festen Normen gebunden ist. Im Unterschied dazu ist „Leichte Sprache“ ganz klar geregelt. Dieser Begriff, der in den 1990er-Jahren in den USA geprägt wurde, bedeutet einen Sprachstil, der vor allem (aber nicht nur) auf die Bedürfnisse von Menschen mit kognitiven Einschränkungen ausgelegt und auf dem Sprachniveau A2 angesiedelt ist. Übersetzer für Leichte Sprache haben bestimmte Vorgaben einzuhalten: kurze Sätze mit nicht mehr als einer Aussage pro Satz, Aktiv- statt Passivkonstruktionen, Dativ (mit „von“ gebildet) statt Genitiv, Verbalstil statt Nominalstil, Verzicht auf Verneinungen, Konjunktive, Zahlen, Sprichwörter und Sprachbilder.

Kritik an Leichter Sprache

Texte in Leichter Sprache sind allerdings über die Zielgruppe kognitiv beeinträchtigter Personen hinaus auch für Menschen hilfreich, deren Deutschkenntnisse eingeschränkt sind, etwa wegen einer Leseschwäche oder wegen eines migrantischen Hintergrunds. Kritiker beanstanden, dass diese Gruppen dadurch die Fähigkeit verlieren könnten, auch mit schwierigeren Texten zurande zu kommen. Expertin Elfriede Windischbauer sieht dies anders. Ein Grundprinzip Leichter Sprache sei deren Brückenfunktion, zum Beispiel im Schulunterricht. „Da können Texte in Leichter Sprache anschlussfähig für die Standardsprache machen. Sie werden parallel zu anderen Texten eingesetzt, aber nie für die ganze Klasse.“ Zudem sei in Österreich auch abseits des Schulunterrichts rund ein Fünftel der Bevölkerung zu berücksichtigen, das laut Daten der aktuellen Piaac-Studie (internationale Studie zu Schlüsselkompetenzen Erwachsener) nicht sinnerfassend lesen könne. Eine weitere Zielgruppe seien Senioren mit beginnender Demenz.

Windischbauer, Professorin an der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig, rief in diesem Jahr einen neuen Hochschullehrgang für Einfache und Leichte Sprache ins Leben, der im Oktober zum zweiten Mal stattfinden soll und sich vor allem an Lehrpersonen richtet. Das Programm kann als einzigartig im deutschsprachigen Raum bezeichnet werden. Denn die PH Salzburg legt als konsequent inklusive Hochschule großen Wert darauf, auch beeinträchtigte Personen in den Hochschullehrgang zu integrieren. Sie können sich als Prüfer für Leichte Sprache nach den Anforderungen des Netzwerks Leichte Sprache zertifizieren lassen, während die regulären Studierenden zu Übersetzern ausgebildet werden.

Den Anstoß zu dem Hochschullehrgang bekam Elfriede Windischbauer durch eine Ausbildung, die sie selbst absolviert hatte: den Lehrgang Leichte Sprache am Salzburger Bildungshaus St. Virgil. Dort erfährt man an drei Wochenenden vieles rund um die Zielgruppen, die Anwendung und die Regelwerke der beiden Sprachvarietäten. Den Lehrgang, der zum nächsten Mal ab November stattfinden wird, leitet der Journalist und Uni-Lektor Georg Wimmer. Er ist Inhaber der Leichte Sprache Textagentur und dadurch tagtäglich mit Übersetzungen vor allem im Sozialbereich, etwa für den Frauennotruf Salzburg oder das AMS, befasst. Inzwischen hat er mit Windischbauer auch die Leitung des Salzburger Hochschullehrgangs übernommen.

Marktführer für Textvereinfachung im deutschsprachigen Raum ist das Sozial-Franchise-Unternehmen Capito, das etwa Texte des österreichischen Parlaments sowie etlicher Bundesministerien und Behörden in Einfache Sprache übersetzt. Ausbildungen werden an den österreichischen Standorten Graz und Wien unter dem Capito-Markennamen Leicht Lesen für die drei Sprachstufen A1, A2 (Leichte Sprache) und B1 (Einfache Sprache) angeboten. In Graz sei vor allem der Lehrgang Leicht Lesen beliebt, sagt Walburga Fröhlich, Mitgründerin von Capito Graz. Zusätzlich biete man E-Learnings zu Themenbereichen, wie zum Beispiel „Barrierefrei gendern“, an.

Texte werden gegengecheckt

Parallel zum Capito-Online-Lehrgang wird am Standort Wien-Mitte März der Lehrgang Leicht Lesen in Präsenz starten. Übersetzungen nach dem Qualitätsstandard von Capito haben einem 90 Punkte umfassenden Kriterienkatalog zu folgen. Zudem gilt auch hier laut Fröhlich die Prämisse, die tatsächlichen Adressaten miteinzubeziehen. „Nach der Übersetzung werden die Texte von Personen aus der jeweiligen Zielgruppe auf Verständlichkeit überprüft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2023)

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