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Stefanie Kirchner befragte Jugendliche, wie es ihnen nach Videos gehe, in denen schwule und lesbische Menschen ihre Geschichte erzählen.
Stefanie Kirchner befragte Jugendliche, wie es ihnen nach Videos gehe, in denen schwule und lesbische Menschen ihre Geschichte erzählen.(c) Caio Kauffmann
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In der Suizidprävention sind Botschaften wichtig, die zeigen, dass Krisen bewältigbar sind. Stefanie Kirchner hat untersucht, wie Videos besonders LGBTQ+-Jugendlichen helfen.

Der Papageno-Effekt ist in der Suizidprävention bekannt: Benannt nach Papageno aus Mozarts „Zauberflöte“, der von drei Knaben abgehalten wird, sich selbst zu töten, beschreibt der Effekt die schützende Wirkung von Medien auf Menschen, die solche Gedanken wälzen. Berichte über die Bewältigung von Krisen machen Betroffene darauf aufmerksam, wie es auch für sie „besser werden“ kann. So heißt eine weltweite Kampagne, die Jugendlichen hilft, aus suizidalen Gedanken und Verhalten herauszufinden. „Die ,Es wird besser‘-Kampagne stammt aus den USA, wo ein Journalist mit YouTube-Videos versucht hat, Jugendliche zu erreichen“, erzählt Stefanie Kirchner.

Gestartet ist das Projekt 2010, als es zu einer Reihe von Suiziden an Highschools gekommen ist – von Jugendlichen, die zu sexuellen Minderheiten gehören, also LGBTQ+ sind. Das Kürzel steht für lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer und Personen, die einer anderen sexuellen oder geschlechtlichen Minderheit angehören. Die Videos wurden populär, und „Es wird besser Österreich“ engagiert sich seit 2013 für die psychische Gesundheit (Mental Health) in der LGBTQ+-Community. „Man weiß aus Studien, dass LGBTQ+-Jugendliche ein erhöhtes Suizidrisiko haben und die Phase des Risikos in der Zeit des Coming-outs am größten ist“, sagt Kirchner. Viele fühlen sich allein in der Zeit, in der man seine sexuelle Identität öffentlich macht und in der Identitätsfindung steckt.

Die Kampagne heißt: „Es wird besser“

Für ihre Dissertation hat Kirchner, die seit 2018 in der Gruppe von Thomas Niederkrotenthaler an der Med-Uni Wien forscht, mit Expertinnen und Experten aus Beratungsstellen, Medien und Suizidprävention zwei Videos von der „Es wird besser“-Kampagne ausgewählt und deren Wirkung in kontrollierten Settings untersucht. Darin spricht jeweils ein schwuler Mann bzw. eine lesbische Frau über ihre Krisen, die sie als Jugendliche und beim Coming-out erlebt haben, und darüber, wie sie diese Phase überstanden haben, ab wann es besser wurde und wie gut es ihnen im heutigen Leben geht.

„Für die Kontrollvideos haben wir genau diese zwei Personen gebeten, das gleiche Setting zu wiederholen, aber diesmal über etwas Neutrales wie gesunde Ernährung oder Sport zu sprechen“, sagt Kirchner. Dann suchte sie Probandinnen und Probanden im deutschsprachigen Raum, die sich die Videos ansahen und davor sowie danach Fragebögen zu ihrem Risiko für Suizid, Depression, Hilfesuchabsichten und anderen Faktoren ausfüllten. 483 Jugendliche nahmen teil. Das Ergebnis war, dass besonders non-binäre und transgender Jugendliche von „Es wird besser“-Videos profitierten – ein suizidpräventiver Effekt war statistisch signifikant.

„Es braucht in den Medien viel mehr Diversität: Mehr LGBTQ+-Menschen, die Vorbilder für Jugendliche sind“, betont Kirchner und meint die Bandbreite von Zeitungen, Fernsehen über Social Media, Influencer und Webseiten.

Die Begeisterung für die Wissenschaft fand Stefanie Kirchner schon früh im Public-Health-Studium an der Med-Uni Wien: „Bei den Statistik-Vorlesungen habe ich die Leidenschaft entdeckt, dass ich mit Studien arbeiten will.“ In der ersten Masterarbeit ist sie der Frage nachgegangen, wie Powernaps (kurze Schläfchen) auf Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrpersonal wirken. Ihre zweite Masterarbeit an der London School of Hygiene and Tropical Medicine, die sie überwiegend im Fernstudium absolvierte, drehte sich um den Effekt von Unsicherheiten (im Job, Wohnen, Finanzen etc.) aufs mentale Wohlbefinden. Kirchner ist froh, dass sie durch Förderungen des Wissenschaftsfonds FWF an der Med-Uni Wien eine Postdoc-Stelle hat und weiter forscht, wie Medien und Suizidprävention zusammenhängen. „Es geht um die psychische Gesundheit bei vulnerablen Gruppen wie der LGBTQ+-Community, aber auch bei Flüchtlingen“, sagt Kirchner, die in ihrer Arbeit regelmäßig ans Karolinska-Institut nach Stockholm reist.

Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und ihre Angehörigen gibt es unter www.suizid-praevention.gv.at und der kostenlosen Telefonseelsorge 142.

ZUR PERSON

Stefanie Kirchner (31) wurde für ihre Arbeit an den „Es wird besser“-Videos für LGBTQ+-Jugendliche beim Veronika-Fialka-Moser-Diversitäts-Preis und dem Maria-Schaumayer-Stiftungspreis prämiert. In ihrer Freizeit geht sie gern wellenreiten, im Meer oder in Österreich an stehenden Wellen. Aktuell erforscht sie, wie Webseiten im Bereich der Suizidprävention optimal gestaltet sein sollen.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2023)

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