OSZE-Konferenz

OSZE-Brandbrief an Österreich: „Verhindert russische Teilnahme“

81 Abgeordnete aus 20 Ländern fordern die Bundesregierung auf, russischen Abgeordneten keine Visa für die OSZE-Wintertagung in Wien auszustellen.

Wien. Gegen die Teilnahme russischer Abgeordneter bei der Parlamentarischen Versammlung der OSZE am 23. und 24. Februar formiert sich breiter Widerstand. In einem Brief forderten 81 Delegierte aus insgesamt 20 Ländern die österreichische Bundesregierung auf, russischen Mandataren, die unter internationalen Sanktionen stehen, die Einreise zu verweigern. „Wir erwarten, dass Entscheidungen getroffen werden, die ihre Teilnahme verhindert“, heißt es in dem Schreiben, das sich an Bundeskanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg sowie an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Bundesratspräsident Günter Kovacs und Margareta Cederfeldt richtet, die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

„Forum für Desinformation und Hass“

Die Beteiligung der russischen Abgeordneten genau ein Jahr nach der „verbrecherischen Invasion“ in der Ukraine könnte als „Provokation“ aufgefasst werden, so die Unterzeichner. „Wir haben keinen Zweifel, dass die russische Delegation die Parlamentarische Versammlung der OSZE als Forum verwenden würde, um Desinformation, Fake News und Hassreden zu verbreiten.“ Zudem sei auf russischer Seite kein aufrichtiges Interesse zu erkennen, eine friedliche Lösung für den Konflikt mit der Ukraine zu suchen. Russische Parlamentarier seien ein integraler Bestandteil des Machtsystems und damit auch „Komplizen bei den Verbrechen, die Russland jeden Tag in der Ukraine begeht“.

Die Parlamentarische Versammlung der OSZE solle sich zuerst der Frage zuwenden, wie Russland für die Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Rechenschaft gezogen werden könne, fordern die Delegierten in ihrem Brief. Die OSZE sei ein Forum für Dialog, aber kein bedingungsloses. Russlands offene Verletzung der OSZE-Verpflichtungen schaffe eine neue Situation. Es habe sich damit außerhalb der Staatengemeinschaft gestellt, die internationales Recht achte. Der Dialog mit Russland sei ohnehin im Permanenten Rat der OSZE aufrecht und sollte nicht auch noch erweitert werden. Das komme einer Unterstützung der russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine gleich.

Deshalb solle Österreich den russischen Abgeordneten wie schon bei den OSZE-Versammlungen in Birmingham und Warschau die Teilnahme verweigern, steht in dem Brief, der der „Presse“ vorliegt. Das Außenamt in Wien argumentiert, dass Österreich allein schon wegen des Amtssitzabkommens mit der OSZE allen Delegationen die Einreise ermöglichen müsse. Die Republik sei dazu rechtlich verpflichtet. Birmingham und Warschau sind keine Hauptquartiere der OSZE.

Schweiz: „Entscheiden über Einzelfall“

Kritiker der österreichischen Position meinen, dass das Amtssitzabkommen auch anders ausgelegt werden könne und Ermessensspielraum bestehe. Auch in der Schweiz befinden sich Hauptquartiere internationaler Organisationen. Das Berner Auswärtige Amt hält auf Anfrage der „Presse“ fest: „In Übereinstimmung mit den Sitzabkommen zwischen dem Bundesrat und den internationalen Organisationen mit Sitz in der Schweiz hat der Gaststaat die Möglichkeit, Personen in Abweichung von den gegen sie verhängten Sanktionen offiziell ein- oder durchreisen zu lassen.“ Zusatz: „Die zuständigen Behörden entscheiden über jeden Einzelfall.“

Für die Parlamentarische Versammlung der OSZE sind zehn russische Delegationsmitglieder angemeldet, darunter auch Leonid Sluzkij, der die „Entnazifizierung“ der Ukraine verlangt und die Exekution ukrainischer Azow-Soldaten nach der Belagerung von Mariupol gefordert hat. Den Brief an Nehammer und Schallenberg haben OSZE-Delegierte aus Polen, Litauen, Belgien, Kanada, Tschechien, Dänemark, Estland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Island, Lettland, den Niederlanden, Norwegen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Schweden, der Ukraine und Großbritannien unterzeichnet.

Lopatka: „Eine Minderheitsmeinung“

„Das ist eine Minderheitsmeinung“, erklärte Reinhold Lopatka (ÖVP), der amtierende Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, gegenüber der „Presse“. Tatsächlich umfasst die Organisation 57 Mitgliedstaaten. Solang ein Staat Mitglied der OSZE sei, müsse dessen Abgeordneten die Einreise erlaubt sein. Dialog sei der Sinn und Zweck der OSZE, sagte Lopatka, der auch Leiter der parlamentarischen OSZE-Delegation Österreichs ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.