Leitartikel

Europas wahrer Konkurrent um Schlüsselindustrien heißt China

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Europa ist empört, weil die USA massiv in Schlüsselindustrien investieren. Aber Chinas Griff nach kritischen Rohstoffen nimmt man seit Jahren hin.

Der Inflation Reduction Act hat in den politischen Zentren Europas für Schnappatmung gesorgt. Die USA locken mit einem massiven Investitionsprogramm plus Steuerzuckerl Betriebe in strategisch wichtigen Sektoren nach Nordamerika. Da geht es etwa um erneuerbare Energien oder auch um die für die Digitalisierung so wichtige Halbleiterindustrie. Längst ist Brüssel ins transatlantische Subventionsrennen eingestiegen und schnürt seinerseits ein Paket, das die Abwanderung wichtiger Industriebetriebe aus Europa verhindern soll.

Brüssel muss freilich antworten, auch wenn ein Subventionswettlauf sehr teuer zu werden droht. Für Europa am schlechtesten wäre, nicht auf den amerikanischen Protektionismus zu reagieren und zuzusehen, wie Schlüsselindustrien in Europa stagnieren oder sogar abwandern.

Wobei Europas Position etwa in der Chipindustrie nicht von einer guten zu einer mediokren zu mutieren droht. Eher droht einem Leichtgewicht die Bedeutungslosigkeit. Die Chipindustrie wurde lang vernachlässigt. Ab Mitte der 2000er etwa verlagerten immer mehr Halbleiterhersteller ihre Werke nach Asien, vor allem nach Taiwan und China. Über Engpässe klagen europäische Industriebetriebe schon jetzt. Engpässe, die die großen Ziele Brüssels bedrohen. Denn Halbleiter sind eine essenzielle Zutat etwa der Energiewende und der Digitalisierung.

Nun sind diese Engpässe aber nicht mehr Produkt pandemiebedingter Verwerfungen in den globalen Lieferketten, sondern eine Folge der chinesischen Industriepolitik, wie Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß, Chefin des österreichischen Solarherstellers Fronius, unlängst zur „Presse“ gesagt hat. China will zum globalen Gegenpol zu den USA aufsteigen und arbeitet seit Jahren beharrlich daran, überall in der Welt seine Interessen zu wahren. Nicht nur mit Spionageballons. Man versucht, Abhängigkeiten zu schaffen, und setzt auch Europa, das Vorreiter der Energiewende sein will, für eigene Interessen unter Druck.

Es ist schon erstaunlich: Da bauen chinesische Konzerne, die stets die Ziele der kommunistischen Partei mitverfolgen, jahrelang ungestört ihre Marktmacht in wichtigen Sektoren auf. Aber es braucht ein US-Subventionsprogramm (das auch gegen Chinas Marktmacht gerichtet ist), damit die EU begreift, dass sie in einer Welt steigender geopolitischer Spannungen ohne Zugang zu kritischen Technologien nicht bestehen kann.

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