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Tesla macht's vor: Wie Gigapressen den Autobau verändern

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Statt vieler einzelner Karosserieteile werden mit gigantischen Druckgussmaschinen Hinter- und Vorderteile von Fahrzeugen gegossen und gepresst. Das macht die Autoproduktion schneller und langfristig profitabler. Kritiker verweisen jedoch auf Qualitätsrisiken.

Ein wichtiger Teil des Erfolgs von Tesla stammt aus einem kleinen Ort in Norditalien. In Travagliato nahe Brescia in der Lombardei baut der Zulieferer IDRA gigantische Aluminium-Druckgussmaschinen. Statt vieler einzelner Karosserieteile, die zusammengeschweißt werden müssen, werden hier ganze Hinter- und Vorderteile von Fahrzeugen gegossen und gepresst. Das macht die Autoproduktion schneller und langfristig profitabler.

Tesla, weltgrößter Elektroautobauer, ist so in der Lage, hohe Gewinnmargen zu erzielen und die Preise für seine E-Autos wie jüngst geschehen massiv zu senken. Währenddessen ächzen viele traditionelle Hersteller unter hohen Investitionen für den Wechsel in die Elektromobilität und können Tesla kaum folgen.

"Elon Musk verdrängt mit seinem New Manufacturing die klassischen Autobauer", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Kaum ein anderer Hersteller könne seine Kosten so stark senken. Die einzigen, die Tesla gefährlich werden könnten, seien chinesische Hersteller, glaubt der Leiter das CAR-Instituts in Duisburg. "Denn die lernen ungeheuer schnell und sind sehr dynamisch." Timo Kronen, Partner der Beratungsfirma Berylls, sieht ebenfalls klare Vorteile der so genannten Gigapressen. Die hohe Ertragskraft von Tesla führt er vor allem auf die skalierbare Fahrzeugarchitektur und den Vorsprung in der Softwareentwicklung zurück.

Rund 60 Einzelteile ersetzt

Die in einem Durchgang gepressten Vorder- und Hinterwagen ersetzen rund 60 Einzelteile. Die Fahrzeug-Unterböden werden anschließend mit den Batteriepacks zu Chassis zusammengefügt. Die Kosten können dadurch um bis zu 40 Prozent gesenkt werden. "Die Grundidee war, eine Technologie bereitzustellen, die die Autoproduktion vereinfachen könnte", sagt IDRA-Geschäftsführer Riccardo Ferrario zu Reuters. Dies sei eine Möglichkeit, batterieelektrische Autos für jeden Geldbeutel herzustellen. "Ich wette, dass 80 Prozent der Autohersteller bis 2035 Gigapressen einsetzen werden, zumindest für E-Autos auf Basis neuer Plattformen."

IDRA, das 2008 von der chinesischen LK Industries übernommen wurde, entwickelt diese monströsen Maschinen seit 2016. Die neueste und bisher größte hat die Dimension eines kleinen Hauses und eine Schließkraft von 9000 Tonnen. Die Pressbacken sind so groß wie Lieferwagen. Die Namen seiner Kunden gibt das italienische Unternehmen nicht preis. Als aber ein Video der ersten versandfertigen "Gigapress 9000" veröffentlicht wurde, erklärte Elon Musk, die Anlage sei für den neuen Cybertruck geplant. Zu den Konkurrenten von IDRA gehören die Buhler Gruppe in Europa, Ube Corp und Shibaura Mashine in Japan sowie Yizumi und Haitian in China.

Die traditionellen Autobauer haben den Karosseriebau bereits weitgehend automatisiert. Angesichts steigender Rohstoffpreise erhöht sich nun der Druck zu weiteren Produktionsfortschritten. Deshalb wenden sich Autohersteller wie Toyota, General Motors, Hyundai, Volvo Cars und das chinesische Elektrofahrzeug-Start-up Nio an Hersteller wie IDRA. Volkswagen allerdings hat nach ersten Überlegungen, die Technik bei seinem Flaggschiff Trinity einzusetzen, wieder Abstand davon genommen. BMW hat bisher kein Interesse daran gezeigt.

Kritiker verweisen auf Qualitätsrisiken

Denn mit dem Druckguss-Verfahren sind nicht nur Vorteile verbunden. Kritiker verweisen auf Qualitätsrisiken. Ein einzelner Fehler in der Produktion könne ein ganzes Modul gefährden. Berylls-Experte Kronen führt auch die hohen Investitionen an. "Gigapressen dürften einen dreistelligen Millionenbetrag kosten." Damit sie sich amortisieren, müssten sie zwei Fahrzeuggenerationen beziehungsweise rund zehn Jahre lang laufen. Das mache die Produktion unflexibel.

Die Reparatur eines solchen Autos sei zudem teuer. "Wenn der einteilige Vorder- oder Hinterwagen beschädigt ist, wird bei diesen Modellen ein aufwendiges Reparaturkonzept nötig sein", sagt Kronen. Versicherer dürften sich dieses Risiko mit höheren Prämien als bei Modellen anderer Hersteller bezahlen lassen.

Davon lässt sich IDRA-Chef Ferrario nicht beeindrucken. Die eigentliche Frage sei: "Werden wir noch größere Gigapressen brauchen?"

(APA)

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