Kommentar

Louis Vuitton ernennt Pharrell Williams zum Kreativchef der Männermode

Pharrell Williams wurde zum Kreativdirektor bei Louis Vuitton ernannt.
Pharrell Williams wurde zum Kreativdirektor bei Louis Vuitton ernannt. beigestellt
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Das Warten auf den Nachfolger von Virgil Abloh als Männermodedesigner bei Louis Vuitton hat ein Ende: Die Aufgabe übernimmt der US-Popstar Pharrell Williams - als Nebenjob?

Eine gar nicht so gewagte Prognose zu Beginn: Sie wird gut aussehen, sich exzellent verkaufen, viel Lob ernten. Die für Juni angekündigte erste Kollektion nämlich, die Pharrell Williams als neuer für Männermode zuständiger Designer im Hause Louis Vuitton entworfen haben wird. Dass Williams diese Aufgabe übernimmt, erfuhr die Welt gestern Abend. Selbst in Paris, am Rande eines kleinen Branchenevents mit jedoch gut informierten Gästen, war die Überraschung über diese Bestellung groß.

Sie kam langem Rätselraten darüber, wer nach dem im November 2021 verstorbenen Virgil Abloh diese Rolle übernehmen würde. Beinahe eineinhalb Jahre nach Ablohs Tod war klar, dass diese Entscheidung bald gefällt werden müsste. Anfang Februar hat Pietro Beccari das Amt des Vorstandsvorsitzenden in dem Luxusunternehmen übernommen. Dass er maßgeblich an diesem Prozess beteiligt sein würde, war klar, und nun ist es also schnell gegangen.

In der Zeit zuvor handelten viele etwa die in London ansässige Martine Rose, die mit ihrer Show in Florenz das Modejahr 2023 eröffnete, oder Grace Wales Bonner, ebenfalls aus London und in Wien – noch – als Modeprofessorin an der Angewandten tätig, als mögliche Nachfolgerinnen. Dabei hätte klar sein müssen: Das Profil der beiden Indie-Designerinnen war zu nischig, ließ hinsichtlich des kommerziellen Potenzials zu wünschen übrig. Und erfüllte einen wichtigen Punkt nicht – nach Virgil Abloh brauchte es, wie sich nun herausstellt, bei Louis Vuitton keinen Designer im eigentlichen Sinn, sondern einen designaffinen Popstar.

Enge Verbindungen

Im Lauf der Jahre war Virgil Abloh selbst zu einer Popikone geworden, seine enge Verbindung mit Kanye West und dessen damaliger Ehefrau Kim Kardashian etwa verlieh ihm Gewicht als Branchenvordenker. Sein Wechsel zu Louis Vuitton verstärkte dies, war zugleich eine Konsequenz aus Ablohs vorangegangenen Leistungen. Eine Retrospektive, die ihm das Brooklyn Museum vor Kurzem widmete, versammelte Ablohs Gedankenwelten mit ihren Verästelungen in zahlreichen verwandten Disziplinen eindrücklich.

Pharrell Williams wiederum (Ohrwurm gefällig? „Happy“ trällerte er 2013, der Song wurde zu einem der meistgespielten der letzten Dekade) ist in Modedingen keineswegs unbeleckt: Zweimal hatte er schon mit Louis Vuitton kooperiert, die eigenen Linien Billionaire Boys Club und Icecream Apparel gegründet. Auch das Maison Chanel zählte ihn noch unter Karl Lagerfeld zu seinen engen Freunden, für Adidas entwarf er Turnschuhe. 2020 lancierte er, als einer unter vielen Promis, eine eigene Hautpflegelinie, Humanrace, die ganz dem Zeitgeist entspricht.

Mit all dem erfüllt Williams offenbar zur Gänze das Anforderungsprofil eines Männermodemachers für Louis Vuitton. Nicht ein Designer mit Starqualitäten, sondern ein Star mit Designkompetenz ist er und einer, der sich als Kreativunternehmer unter Beweis gestellt hat. Und so tuschelte man gestern in Paris und heute weltweit in den wichtigsten Branchenblättern, dass Beccari, fraglos einer der visionärsten CEOs der Luxusbranche, mit dieser Bestellung eine neue Ära eingeläutet habe.

Über die Mode hinaus

Die Aussage ist klar und lautet: Wer bei einer der bekanntesten Luxusmarken der Welt als Kreativchef anheuert, kann nicht einfach nur das Modehandwerk gelernt haben. Mit der Bestellung von Sabato de Sarno bei Gucci oder Matthieu Blazy bei Bottega Veneta gingen zwei Mitbewerber in jüngster und jüngerer Vergangenheit zwar einen anderen Weg und holten außerhalb von Insiderkreisen relativ wenig Bekannte in die erste Reihe, wo sie sich nun beweisen sollen. Die Richtung, in die Louis Vuitton mit Pharrell Williams weist, ist aber die genau entgegengesetzte.

Ein paar Präzedenzfälle gibt es zwar, doch keiner ist eine hundertprozentige Entsprechung. Lindsay Lohan etwa war für kurze Zeit – und äußerst glücklos – für die Mode von Ungaro zuständig. Victoria Beckham oder die Olsen-Zwillinge, mit ihrer Marke The Row, haben sich Glaubwürdigkeit auch in der Modebranche erarbeitet, tun dies aber in Eigenregie. Fenty Fashion, die Modemarke von Rihanna, wurde nach zwei Jahren wieder eingestellt, nur ihre Kosmetikmarke existiert weiterhin. Pharrell Williams aber soll fortan seinen eigenen Starstatus mit dem kaum geringeren Popkulturpotenzial von Louis Vuitton vermählen.

Die Diskographie des Sängers ist in den letzten Jahren allerdings etwas ausgedünnt, als Produzent ist er aber weiterhin tätig und arbeitete etwa an „Motomami“ von Rosalía mit. Akkurat sie, ein Zufall?, performte im Jänner am Rande der letzten, noch nicht von Williams verantworteten, Kollektionspräsentation von Louis Vuitton in Paris. Ob künftig die Mode sein Nebenjob sein wird oder die Musik, wird Pharrell Williams für sich gut abgewogen haben. Mit dem Abmischen von popkulturellen Referenzen muss er sich jedenfalls in beiden Disziplinen beschäftigen.

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